Vom Kriege
unsichtbare Wirksamkeit hat, sondern auch ein wahres offensives Vorschreiten gegen die feindliche Verbindungslinie mit einem Teil der Streitkräfte ist in dem Bereich einer solchen Verteidigung. Soll es aber mit Vorteil geschehen, so muß doch immer die Lage der Verbindungslinien, die Natur der Gegend oder die Eigentümlichkeiten der Streitkräfte eine nähere Veranlassung dazu geben.
Streifereien in das feindliche Gebiet, welche den Zweck einer Wiedervergeltung oder der Brandschatzung um des Gewinnes willen haben, können eigentlich nicht als Verteidigungsmittel betrachtet werden, sie sind vielmehr wahre Angriffsmittel; sie verbinden sich aber gewöhnlich mit dem Zweck der eigentlichen Diversion; diese aber hat die Schwächung [512] der feindlichen, uns gegenüberstehenden Macht zur Absicht und kann also als ein wahres Verteidigungsmittel betrachtet werden. Da sie aber ebensogut beim Angriff gebraucht werden kann und an und für sich ein wirklicher Angriff ist, so finden wir es angemessener, davon im folgenden Buch umständlicher zu reden. Wir wollen also dieses Mittel hier nur aufzählen, um die Rüstkammer der kleinen Offensivwaffen, welche der Verteidiger eines Kriegstheaters hat, vollständig anzugeben, und nur vorläufig das eine bemerken, daß es an Umfang und Wichtigkeit bis auf den Punkt zunehmen kann, dem ganzen Kriege einen Schein und damit auch die Ehre der Offensive zu geben. So sind Friedrichs des Großen Unternehmungen nach Polen, Böhmen, Franken vor Eröffnung des Feldzuges von 1759. Sein Feldzug selbst ist offenbar eine reine Verteidigung, aber diese Ausfälle in das feindliche Gebiet haben ihm einen Charakter von Offensive gegeben, der vielleicht wegen seines moralischen Gewichtes einen besonderen Wert hat.
Der Angriff feindlicher Korps oder des feindlichen Hauptheeres muß als ein notwendiges Komplement der ganzen Verteidigung gedacht werden, für alle diese Fälle, wo der Angreifende sich die Sache zu leicht machen will und deshalb auf einzelnen Punkten große Blößen gibt. Unter dieser stillschweigenden Bedingung geschieht das ganze Handeln. Allein auch hier kann der Verteidiger, wie bei der Einwirkung auf die Verbindungslinien des Gegners, noch einen Schritt weiter in das offensive Gebiet tun und ebensogut wie sein Gegner, die Lauer auf einen vorteilhaften Streich zu einem Gegenstande seiner besonderen Industrie machen. Um sich in diesem Felde einigen Erfolg zu versprechen, muß er entweder seinem Gegner an Kräften merklich überlegen sein, welches im allgemeinen gegen die Natur der Verteidigung ist, aber doch vorkommen kann, oder er muß das System und Talent haben, seine Kräfte mehr vereinigt zu halten, und durch Tätigkeit und Bewegung ersetzen, was er dabei auf der andern Seite preisgeben muß.
Das erstere war im Siebenjährigen Kriege Dauns Fall, das letztere der Fall Friedrichs des Großen. Dauns Offensive sehen wir aber fast immer nur zum Vorschein kommen, wenn Friedrich der Große durch übertriebene Dreistigkeit und Geringschätzung ihn dazu einlud. Hochkirch, Maxen, Landshut. Dagegen sehen wir Friedrich den Großen fast in beständiger Bewegung, dem einen oder andern der Daunschen Korps mit seiner Hauptarmee etwas anzuhaben. Es gelingt ihm selten, wenigstens sind die Resultate niemals groß, weil Daun mit seiner großen Überlegenheit eine seltene Vorsicht und Behutsamkeit verband; aber man muß nicht glauben, daß darum des Königs Bestreben ganz ohne Wirkung geblieben wäre. In diesem Bestreben lag vielmehr ein sehr wirksamer Widerstand, denn in der Sorgfalt und Anstrengung, zu welcher sein Gegner gezwungen wurde, um nachteiligen Schlägen auszuweichen, lag die Neutralisierung derjenigen [513] Kraft, welche sonst zum Vorschreiten des Angriffs beigetragen haben würde. Man denke nur an den Feldzug von 1760 in Schlesien, wo Daun und die Russen vor lauter Besorgnis, vom Könige jetzt hier, dann dort angegriffen und überwältigt zu werden, zu keinem Schritt vorwärts gelangen konnten.
Wir glauben nun hiermit alle die Gegenstände durchgegangen zu sein, welche bei der Verteidigung eines Kriegstheaters, wenn keine Entscheidung vorliegt, die herrschenden Ideen, die vorzüglichsten Bestrebungen und also den Anhalt des ganzen Handelns ausmachen werden. Wir haben sie hauptsächlich nur nebeneinander hinstellen wollen, um den Zusammenhang des ganzen strategischen Handelns übersehen zu lassen; die einzelnen Maßregeln, mit welchen sie in das Leben treten, Stellungen, Märsche usw.
Weitere Kostenlose Bücher