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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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befinden sich meist in einer sehr bedrängten und bedrohten Lage, wo sie, das Schlimmste erwartend, dem Angriff auf halbem Wege entgegenkommen. Die Folge ist, daß Schlachten mit umfassenden Linien oder gar mit verwandter Front, welche eigentlich die Folge eines vorteilhaften Verhältnisses der Verbindungslinien sein sollten, gewöhnlich die Folge der moralischen und physischen Überlegenheit sind. Marengo, Austerlitz, Jena. – [531] Bei der ersten Schlacht ist übrigens die Basis des Angreifenden, wenn auch nicht der der Verteidigung überlegen, doch wegen der nahen Grenze meistens sehr groß, also kann er schon etwas wagen. - Der Seitenanfall, d. h. die Schlacht mit verwandter Front, ist übrigens wirksamer als die umfassende. - Falsche Vorstellung, daß ein umfassendes strategisches Vorrücken von Hause aus damit verbunden sein müsse, wie bei Prag. Dies hat selten etwas damit gemein und ist eine sehr mißliche Sache, worüber in dem Angriff eines Kriegstheaters das Nähere. - So wie in der Verteidigungsschlacht der Feldherr das Bedürfnis hat, die Entscheidung möglichst lange hinzuhalten, Zeit zu gewinnen, weil eine unentschiedene Verteidigungsschlacht mit Sonnenuntergang gewöhnlich eine gewonnene ist, so hat der Feldherr in der Angriffsschlacht das Bedürfnis, die Entscheidung zu beschleunigen; aber von der andern Seite ist mit der Übereilung eine große Gefahr verbunden, weil sie zur Verschwendung der Kräfte führt. Eine Eigentümlichkeit der Angriffsschlacht ist in den meisten Fällen die Ungewißheit über die Lage des Gegners; sie ist ein wirkliches Hineintappen in unbekannte Verhältnisse. Austerlitz, Wagram, Hohenlinden, Jena, Katzbach. Je mehr sie das ist, um so mehr Vereinigung der Kräfte, um so mehr Umgehen als Umfassen. Daß die Hauptfrüchte des Sieges erst im Verfolgen errungen werden, lehrt schon das zwölfte Kapitel des vierten Buches. Der Natur der Sache nach ist bei der Offensivschlacht das Verfolgen mehr ein integrierender Teil der ganzen Handlung als in der Verteidigungsschlacht.
Achtes Kapitel: Flußübergänge
    1. Ein beträchtlicher Fluß, welcher die Richtungslinie des Angriffs durchschneidet, ist immer eine sehr unbequeme Sache für den Angreifenden; denn er ist, wenn er ihn überschritten hat, meistens auf eine Brücke eingeschränkt und wird also, wenn er nicht dicht an demselben stehenbleiben will, in all seinem Handeln sehr beengt sein. Denkt er gar darauf, dem Feinde jenseits ein entscheidendes Gefecht zu geben, oder darf er erwarten, daß dieser ihm dazu entgegenkommen wird, so begibt er sich in große Gefahren; ohne bedeutende moralische und physische Überlegenheit wird sich also ein Feldherr in diese Lage nicht begeben.
    2. Aus dieser Schwierigkeit des bloßen Hintersichnehmens des Flusses entsteht such die Möglichkeit, ihn wirklich zu verteidigen, viel öfter, als es sonst der Fall sein würde. Setzt man voraus, daß diese Verteidigung nicht als das [532] einzige Heil betrachtet, sondern so eingerichtet wird, daß, wenn sie selbst mißlungen ist, doch noch ein Widerstand in der Nähe des Flusses möglich bleibt, so treten zu dem Widerstand, welchen der Angreifende durch die Verteidigung des Flusses erleiden kann, in seinem Kalkül auch noch alle Vorteile, wovon unter Nr. 1 gesprochen ist, und beides zusammen macht, daß man die Feldherren beim Angriff vor einem verteidigten Fluß so viel Respekt haben sieht.
    3. Aber wir haben im vorigen Buche gesehen, daß unter gewissen Bedingungen die eigentliche Verteidigung des Flusses recht gute Erfolge verspricht, und wenn wir auf die Erfahrungen sehen, so müssen wir gestehen, daß diese Erfolge noch viel häufiger eintreten, als die Theorie sie verspricht, weil man in dieser doch nur mit den wirklichen Verhältnissen rechnet, wie sie sich finden, während in der Ausführung dem Angreifenden gewöhnlich alle etwas schwieriger erscheinen als sie wirklich sind, und daher ein starker Hemmschuh seines Handelns werden.
    Ist nun gar von einem Angriff die Rede, der nicht auf eine große Entscheidung geht und nicht mit durchgreifender Energie geführt wird, so kann man sagen, daß in der Ausführung eine Menge von kleinen, in der Theorie gar nicht zu berechnenden Hindernissen und Zufällen sich zum Nachteil des Angreifenden zeigen werden, weil er der Handelnde ist, also mit ihnen am ersten in Konflikt kommt. Man bedenke nur, wie oft die an sich unbedeutenden lombardischen Flüsse mit Erfolg verteidigt worden sind. - Wenn es in der

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