Vom Kriege
ist.
3. Daß die Belagerung ein intensives Fortschreiten des Angriffs ist oder wenigstens so aussieht, ohne daß die Schwächung der Kräfte dabei immer zunehme, wie das jedes andere Vorschreiten im Angriff mit sich bringt.
4. Daß die Belagerung ein Unternehmen ohne Katastrophe ist.
Alle diese Dinge machen, daß die Eroberung eines oder mehrerer feindlicher Plätze sehr gewöhnlich ein Gegenstand derjenigen strategischen Angriffe ist, die sich kein größeres Ziel vorsetzen können.
[551] Die Gründe, welche bei der Wahl der Festung, welche belagert werden soll, bestimmen, im Fall diese überhaupt zweifelhaft sein kann, sind:
a) Daß sie bequem zu behalten sei, also als Äquivalent beim Frieden recht hoch stehe.
b) Die Mittel der Eroberung. Geringe Mittel lassen nur kleine Festungen zu, und es ist besser, daß man eine kleine wirklich einnimmt, als vor einer großen scheitert.
c) Die fortifikatorische Stärke. Sie steht ja offenbar nicht immer mit der Wichtigkeit in Verhältnis; nichts wäre törichter, als vor einem sehr festen Platz von geringer Wichtigkeit seine Kräfte zu verschwenden, wenn man einen weniger starken zum Gegenstand seines Angriffs machen kann.
d) Die Stärke der Ausrüstung, also auch der Besatzung. Ist die Festung schwach besetzt und ausgerüstet, so ist ihre Eroberung natürlich leichter; aber es ist hierbei zu bemerken, daß die Stärke der Besatzung und Ausrüstung zugleich zu denjenigen Dingen gezählt werden muß, die die Wichtigkeit des Platzes mitbestimmen, weil Besatzung und Ausrüstung unmittelbar zu den Streitkräften des Feindes gehören, welches nicht in dem Maße mit den Fortifikationswerken der Fall ist. Die Eroberung einer Festung mit starker Besatzung kann also die Opfer, welche sie kostet, viel eher lohnen als die einer mit besonders starken Werken.
e) Die Leichtigkeit der Belagerungstransporte. Die meisten Belagerungen scheitern aus Mangel an Mitteln, und diese fehlen meistens wegen der Schwierigkeit des Transportes. Eugens Belagerung von Landreci 1712 und Friedrichs des Großen Belagerung von Olmütz 1758 sind die hervorstechendsten Beispiele.
f) Endlich ist die Leichtigkeit der Deckung noch als ein Punkt zu betrachten.
Es gibt zwei wesentlich verschiedene Arten, die Belagerung zu decken: durch Verschanzung der Belagerungsarmee, also durch eine Zirkumvallationslinie, und durch eine sogenannte Observationslinie. Die ersteren sind ganz aus der Mode gekommen, obgleich offenbar eine Hauptsache für sie spricht: daß nämlich auf diese Art die Macht des Angreifenden diejenige Schwächung durch Teilung eigentlich gar nicht erfährt, die ein großer Nachteil des Belagerers überhaupt ist. Aber freilich findet die Schwächung auf eine andere Weise doch in einem sehr merklichen Grade statt.
1. Die Stellung um die Festung herum erfordert in der Regel eine zu große Ausdehnung für die Stärke des Heeres.
2. Die Besatzung, welche, ihre Stärke noch zur feindlichen Entsatzarmee hinzugefügt, nichts geben würde als die Macht, welche ursprünglich der unsrigen entgegenstand, ist unter diesen Umständen als ein feindliches Korps mitten in unserm Lager zu betrachten, welches aber, durch seine [552] Wälle geschützt, unverwundbar oder wenigstens nicht zu überwältigen ist, wodurch seine Wirksamkeit sehr erhöht wird.
3. Die Verteidigung einer Zirkumvallationslinie läßt nichts als die absoluteste Defension zu, weil die ungünstigste und schwächste aller möglichen Aufstellungsformen, in einem Kreise mit der Front nach außen allen vorteilhaften Anfällen auf das äußerste widerstrebt. Es bleibt also nichts übrig, als sich in seinen Verschanzungen aufs äußerste zu wehren. Daß diese Umstände eine viel größere Schwächung der Verteidigung herbeiführen können als die Verminderung des Heeres um ein Drittel seiner Streiter, welche vielleicht bei einer Observationsarmee stattfinden würde, ist leicht begreiflich. Bedenkt man nun noch die allgemeine Vorliebe, die man seit Friedrich dem Großen für die sogenannte Offensive (es ist eigentlich nicht immer eine solche), für Bewegungen und Manövrieren hat, und den Widerwillen gegen Schanzen, so wird man sich nicht wundern, wenn die Zirkumvallationslinien ganz außer Mode gekommen sind. Aber jene Schwächung des taktischen Widerstandes ist keineswegs der einzige Nachteil derselben, und wir haben nur die Vorurteile, die sich auch hineindrängen, gleich neben jenem Nachteil aufgezählt, weil sie ihm zunächst verwandt sind.
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