Vom Kriege
Feindes; man trieb seine Herden weg, verbrannte seine Burgen und zog wieder nach Haus.
Die großen Handelsstädte und kleinen Republiken brachten die Kondottieri auf. Das war eine kostbare, mithin dem äußeren Umfange nach sehr beschränkte Kriegsmacht. Noch geringer war sie ihrer intensiven Kraft [586] nach zu schätzen; von höchster Energie und Anstrengung konnte da so wenig die Rede sein, daß es meist nur eine Spiegelfechterei wurde. Mit einem Wort: Haß und Feindschaft regten den Staat nicht mehr zu persönlicher Tätigkeit an, sondern wurden ein Gegenstand seines Handels; der Krieg verlor einen großen Teil seiner Gefahr, veränderte durchaus seine Natur, und nichts, was man aus dieser Natur für ihn bestimmen kann, paßte auf denselben.
Das Lehnssystem zog sich nach und nach zu einer bestimmten Territorialherrschaft zusammen, der Staatsverband wurde enger, die persönlichen Verpflichtungen verwandelten sich in sächliche, das Geld trat nach und nach an die Stelle der meisten, und aus den Lehnsheeren wurden Söldner. Die Kondottieri machten den Übergang dazu und waren daher eine Zeitlang auch das Instrument der größeren Staaten; es dauerte aber nicht lange, so wurde aus dem auf kurze Zeit gemieteten Soldaten ein stehender Söldner, und die Kriegsmacht der Staaten war nun auf das auf den Staatsschatz gegründete stehende Heer gekommen.
Daß das langsame Fortschreiten zu diesem Ziel ein mannigfaches Ineinandergreifen aller drei Arten von Kriegsmacht verursachte, ist natürlich. Unter Heinrich IV. finden wir Lehnsleute, Kondottieri und stehendes Heer beisammen. Die Kondottieri haben sich bis in den 30jährigen Krieg, ja mit einzelnen schwächeren Spuren bis ins achtzehnte Jahrhundert hineingezogen.
Ebenso eigentümlich wie die Kriegsmacht dieser verschiedenen Zeiten war, waren es auch die übrigen Verhältnisse der Staaten in Europa. Im Grunde war dieser Weltteil in eine Masse von kleinen Staaten zerfallen, die teils in sich unruhige Republiken, teils kleine, in ihrer Regierungsgewalt höchst beschränkte und unsichere Monarchien waren. Ein solcher Staat war gar nicht als eine wahre Einheit zu betrachten, sondern als ein Agglomerat von locker verbundenen Kräften. Einen solchen Staat darf man sich also auch nicht wie eine Intelligenz denken, die nach einfachen logischen Gesetzen handelt.
Von diesem Gesichtspunkt aus muß man die äußere Politik und die Kriege des Mittelalters betrachten. Man denke nur an die beständigen Züge der deutschen Kaiser nach Italien während eines halben Jahrtausends, ohne daß je eine gründliche Eroberung dieses Landes daraus folgte, oder auch nur die Absicht war. Es ist leicht, dies als einen sich immer erneuernden Fehler, als eine in der Zeit gegründete falsche Ansicht zu betrachten, aber es ist vernünftiger, es als eine Folge von hundert großen Ursachen anzusehen, in die wir uns allenfalls hineindenken können, die wir aber darum doch nicht mit der Lebendigkeit ergreifen, wie der mit ihnen im Konflikt begriffene Handelnde. Solange die großen Staaten, welche aus diesem Chaos hervorgegangen sind, Zeit gebraucht haben, sich zusammenzufügen und auszubilden, geht ihre Kraft und Anstrengung hauptsächlich nur darauf hinaus; es gibt der Kriege gegen einen äußeren Feind weniger, und die es gibt, tragen das Gepräge des unreifen Staatsverbandes.
[587] Die Kriege der Engländer gegen Frankreich treten am frühesten hervor, und doch ist Frankreich damals noch nicht als eine wahre Monarchie zu betrachten, sondern als ein Agglomerat von Herzogtümern und Grafschaften; England, obgleich es dabei mehr als Einheit erscheint, ficht doch mit Lehnsheeren und unter vielen inneren Unruhen.
Unter Ludwig XI. tut Frankreich den stärksten Schritt zu seiner inneren Einheit, unter Karl VIII. erscheint es als erobernde Macht in Italien, und unter Ludwig XIV. hat es seinen Staat und sein stehendes Heer auf den höchsten Grad ausgebildet.
Spanien fängt seine Einheit unter Ferdinand dem Katholischen an, durch zufällige Heiratsverbindungen entsteht plötzlich unter Karl V. die große spanische Monarchie, aus Spanien, Burgund, Deutschland und Italien zusammengesetzt. Was diesem Koloß an Einheit und innerem Staatsverbande fehlt, ersetzt er durch Geld, und die stehende Kriegsmacht desselben gerät zuerst mit der stehenden Kriegsmacht Frankreichs in Berührung. Der große spanische Koloß zerfällt nach Karls V. Abdankung in zwei Teile, Spanien und Österreich. Dies letztere tritt nun, durch
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