Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
Vom Netzwerk:
Menschen durch die Gefahr und Verantwortlichkeit nicht erhöht, sondern heruntergedrückt; wo aber diese Dinge das Urteil beflügeln und kräftigen, da dürfen wir nicht an seltener Seelengröße zweifeln.
    Wir müssen also zuvörderst einräumen, daß das Urteil über einen bevorstehenden Krieg, über das Ziel, welches er haben darf, über die Mittel, welche nötig sind, nur aus dem Gesamtüberblick aller Verhältnisse entstehen kann, in welchem also die individuellsten Züge des Augenblicks mitverflochten sind, und daß dieses Urteil, wie jedes im kriegerischen Leben, niemals rein objektiv sein kann, sondern nach den Geistes- und Gemütseigenschaften der Fürsten, Staatsmänner, Feldherren bestimmt wird, sei es, daß sie in einer Person vereinigt sind oder nicht.
    Allgemein und einer abstrakten Behandlung fähiger wird der Gegenstand schon dann, wenn wir auf die allgemeinen Verhältnisse der Staaten sehen, die sie von ihrer Zeit und den Umständen erhalten haben. Wir müssen uns hier einen flüchtigen Blick auf die Geschichte erlauben.
    Halbgebildete Tataren, Republiken der alten Welt, Lehnsherren und Handelsstädte des Mittelalters, Könige des achtzehnten Jahrhunderts, endlich Fürsten und Völker des neunzehnten Jahrhunderts: alle führen den Krieg auf ihre Weise, führen ihn anders, mit andern Mitteln und nach einem andern Ziel.
    Die Tatarenschwärme suchen neue Wohnsitze. Sie ziehen mit dem ganzen Volke aus, mit Weib und Kind, sie sind also zahlreich, wie verhältnismäßig kein anderes Heer, und ihr Ziel ist Unterwerfung oder Vertreibung des Gegners. Sie würden mit diesen Mitteln bald alles vor sich niederwerfen, ließe sich damit ein hoher Kulturzustand vereinigen.
    [585] Die alten Republiken, mit Ausnahme Roms, sind von geringem Umfange; noch geringer ist der Umfang ihres Heeres, denn sie schließen die große Masse, den Pöbel, aus; sie sind zu zahlreich und zu nahe beieinander, um nicht in dem natürlichen Gleichgewicht, in welches sich nach einem ganz allgemeinen Naturgesetz kleine abgesonderte Teile immer setzen, Hindernis zu großen Unternehmungen zu finden; daher beschränken sich ihre Kriege auf Verheerungen des flachen Landes und Einnahme einzelner Städte, um in diesen sich für die Folge einen mäßigen Einfluß zu sichern.
    Nur Rom macht davon eine Ausnahme, doch erst in seinen späteren Zeiten. Lange kämpfte es mit kleinen Scharen um Beute und um Bündnis mit seinen Nachbarn den gewöhnlichen Kampf. Es wird groß, mehr durch die Bündnisse, die es schließt, und in welchen sich die benachbarten Völker nach und nach mit ihm zu einem Ganzen verschmelzen, als durch wahre Unterwerfungen. Nur erst, nachdem es sich auf diese Weise in ganz Unteritalien ausgebreitet hat, fängt es an, wirklich erobernd vorzuschreiten. Karthago fällt, Spanien und Gallien werden erobert, Griechenland unterworfen und in Asien und Ägypten seine Herrschaft ausgebreitet. In dieser Zeit sind seine Streitkräfte ungeheuer, ohne daß seine Anstrengungen es wären; sie werden mit seinen Reichtümern bestritten; es gleicht nicht mehr den alten Republiken und nicht mehr sich selbst. Es steht einzig da.
    Ebenso einzig in ihrer Art sind die Kriege Alexanders. Mit einem kleinen, aber durch seine innere Vollkommenheit ausgezeichneten Heere wirft er die morschen Gebäude der asiatischen Staaten nieder. Ohne Rast und rücksichtslos durchzieht er das weite Asien und dringt bis Indien vor. Republiken konnten das nicht; das konnte so schnell nur ein König vollbringen, der gewissermaßen sein eigener Kondottiero war.
    Die großen und die kleinen Monarchien des Mittelalters führten ihre Kriege mit Lehnsheeren. Da war alles auf eine kurze Zeit beschränkt; was in der nicht ausgerichtet werden konnte, mußte als unausführbar angesehen werden. Das Lehnsheer selbst bestand aus einer Einschachtelung von Vasallentum; das Band, welches dasselbe zusammenhielt, war halb gesetzliche Pflicht, halb freiwilliges Bündnis, das Ganze eine wahre Konföderation. Bewaffnung und Taktik waren auf das Faustrecht, auf den Kampf des einzelnen gegründet, also für eine größere Masse wenig geschickt. Überhaupt hat es nie eine Zeit gegeben, wo der Staatsverband so locker und der einzelne Staatsbürger so selbständig war. Dies alles bedingte die Kriege dieser Zeit auf die bestimmteste Art. Sie wurden verhältnismäßig rasch geführt, müßiges im Felde Liegen kam wenig vor, aber der Zweck bestand meistens nur in Züchtigung, nicht in Niederwerfung des

Weitere Kostenlose Bücher