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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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bei jedem Kriege zuerst sein Charakter und seine großen Umrisse nach der Wahrscheinlichkeit aufgefaßt werden, die die politischen Größen und Verhältnisse ergeben. Je mehr nach dieser Wahrscheinlichkeit sein Charakter sich dem absoluten Kriege nähert, je mehr die Umrisse die Masse der kriegführenden Staaten umfassen und in den Strudel hineinziehen, um so leichter wird der Zusammenhang seiner Begebenheiten, um so notwendiger nicht den ersten Schritt zu tun, ohne an den letzten zu denken.
    [583] B. Von der Größe des kriegerischen Zweckes und der Anstrengung
    Der Zwang, welchen wir unserem Gegner antun müssen, wird sie nach der Größe unserer und seiner politischen Forderungen richten. Insofern diese gegenseitig bekannt sind, würde es dasselbe Maß der Anstrengung geben; allein sie liegen nicht immer so offen da, und dies kann ein erster Grund zur Verschiedenheit in den Mitteln sein, die beide aufbieten.
    Die Lage und Verhältnisse der Staaten sind einander nicht gleich, dies kann ein zweiter Grund werden.
    Die Willensstärke, der Charakter, die Fähigkeiten der Regierungen sind sich ebensowenig gleich, dies ist ein dritter Grund.
    Diese drei Rücksichten bringen eine Ungewißheit in die Berechnung des Widerstandes, welchen man finden wird, folglich der Mittel, die man anwenden soll und des Zieles, welches man sich setzen darf.
    Da im Kriege aus unzureichenden Anstrengungen nicht bloß ein Nichterfolg, sondern positiver Schaden entstehen kann, so treibt das beide Teile, sich einander zu überbieten, wodurch eine Wechselwirkung entsteht.
    Dies könnte an das äußerste Ziel der Anstrengungen führen, wenn sich ein solches bestimmen ließe. Dann würde aber die Rücksicht auf die Größe der politischen Forderungen verlorengehen, das Mittel alles Verhältnis zum Zweck verlieren und in den meisten Fällen diese Absicht einer äußersten Anstrengung an dem Gegengewicht der eigenen inneren Verhältnisse scheitern.
    Auf diese Weise wird der Kriegsunternehmer wieder in einen Mittelweg zurückgeführt, in welchem er gewissermaßen nach dem direkten Grundsatz handelt, um diejenigen Kräfte aufzuwenden und sich im Kriege dasjenige Ziel zu stellen, welches zur Erreichung seines politischen Zweckes eben hinreicht. Um diesen Grundsatz möglich zu machen, muß er jeder absoluten Notwendigkeit des Erfolges entsagen, die entfernten Möglichkeiten aus der Rechnung weglassen.
    Hier verläßt also die Tätigkeit des Verstandes das Gebiet der strengen Wissenschaft, der Logik und Mathematik, und wird, im weiten Verstande des Wortes, zur Kunst, d. h. zu der Fertigkeit, aus einer unübersehbaren Menge von Gegenständen und Verhältnissen die wichtigsten und entscheidenden durch den Takt des Urteils herauszufinden. Dieser Takt des Urteils besteht unstreitig mehr oder weniger in einer dunkeln Vergleichung aller Größen und Verhältnisse, wodurch die entfernten und unwichtigen schneller beseitigt und die nächsten und wichtigsten schneller herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege strenger Schlußfolge geschehen sollte.
    Um also das Maß der Mittel kennenzulernen, welches wir für den Krieg aufzubieten haben, müssen wir den politischen Zweck desselben unsrerseits [584] und von seiten des Feindes bedenken; wir müssen die Kräfte und Verhältnisse des feindlichen Staates und des unsrigen; wir müssen den Charakter seiner Regierung, seines Volkes, die Fähigkeiten beider und alles das wieder von unserer Seite; wir müssen die politischen Verbindungen anderer Staaten und die Wirkungen, welche der Krieg darin hervorbringen kann, in Betrachtung ziehen. Daß das Abwägen dieser mannigfachen und mannigfach durcheinandergreifenden Gegenstände eine große Aufgabe, daß es ein wahrer Lichtblick des Genies ist, hierin schnell das Rechte herauszufinden, während es ganz unmöglich sein würde, durch eine bloße schulgerechte Überlegung der Mannigfaltigkeit Herr zu werden, ist leicht zu begreifen.
    In diesem Sinne hat Bonaparte ganz richtig gesagt: es würde eine algebraische Aufgabe werden, vor der selbst ein Newton zurückschrecken könnte.
    Erschweren die Mannigfaltigkeit und Größe der Verhältnisse und die Unsicherheit des rechten Maßes das günstige Resultat in hohem Grade, so müssen wir nicht übersehen, daß die ungeheure vergleichungslose Wichtigkeit der Sache, wenn auch nicht die Verwicklung und Schwierigkeit der Aufgabe, doch das Verdienst der Lösung steigert. Die Freiheit und Tätigkeit des Geistes wird im gewöhnlichen

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