Vom Kriege
Böhmen und Ungarn verstärkt, als große Macht auf und schleppt die deutsche Konföderation wie eine Schaluppe hinter sich her.
Das Ende des siebzehnten Jahrhunderts, die Zeit Ludwigs XIV., läßt sich als den Punkt in der Geschichte betrachten, wo die stehende Kriegsmacht, wie wir sie im achtzehnten Jahrhundert finden, ihre Höhe erreicht hatte. Diese Kriegsmacht war auf Werbung und Geld begründet. Die Staaten hatten sich zur vollkommenen Einheit ausgebildet und die Regierungen, indem sie die Leistungen ihrer Untertanen in Geldabgaben verwandelten, ihre ganze Macht in ihren Geldkasten konzentriert. Durch die schnell vorgeschrittene Kultur und eine sich immer mehr ausbildende Verwaltung war diese Macht, im Vergleich mit der früheren, sehr groß geworden. Frankreich rückte mit ein paarmal hunderttausend Mann stehender Truppen ins Feld, und nach Verhältnis die übrigen Mächte.
Auch die übrigen Verhältnisse der Staaten hatten sich anders gestaltet. Europa war unter ein Dutzend Königreiche und ein paar Republiken verteilt; es war denkbar, daß zwei davon einen großen Kampf miteinander kämpften, ohne daß zehnmal soviel andere davon berührt wurden, wie es ehedem geschehen mußte. Die möglichen Kombinationen der politischen Verhältnisse waren immer noch sehr mannigfaltig, aber sie waren doch zu übersehen und von Zeit zu Zeit nach Wahrscheinlichkeiten festzustellen.
Die inneren Verhältnisse hatten sich fast überall zu einer schlichten Monarchie vereinfacht, die ständischen Rechte und Einwirkungen hatten nach und nach aufgehört und das Kabinett war eine vollkommene Einheit, welche den Staat nach außen hin vertrat. Es war also dahin gekommen, daß ein tüchtiges Instrument und ein unabhängiger Wille dem Kriege eine seinem Begriff entsprechende Gestalt geben konnte.
[588] Auch traten in dieser Epoche drei neue Alexander auf: Gustav Adolf, Karl XII., und Friedrich der Große, die es versuchten, aus kleinen Staaten vermittelst eines mäßigen und sehr vervollkommneten Heeres große Monarchien zu stiften und alles vor sich niederwerfen. Hätten sie es nur mit asiatischen Reichen zu tun gehabt, so würden sie in ihrer Rolle dem Alexander ähnlicher geworden sein. In jedem Fall kann man sie in Rücksicht auf das, was man im Kriege wagen dürfte, als die Vorläufer Bonapartes ansehen.
Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft und Konsequenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite wieder verloren.
Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den der Fürst halb und halb wie seine Privatkasse ansah oder wenigstens wie einen der Regierung und nicht dem Volke angehörigen Gegenstand. Die Verhältnisse mit den andern Staaten berührten, ein paar Handelsgegenstände ausgenommen, meistens nur das Interesse des Schatzes oder der Regierung und nicht des Volkes; wenigstens waren überall die Begriffe so gestellt. Das Kabinett sah sich also an wie den Besitzer und Verwalter großer Güter, die es stets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsuntertanen bei dieser Vermehrung ein sonderliches Interesse haben konnten. Das Volk also, welches bei den Tatarenzügen alles im Kriege ist, bei den alten Republiken und im Mittelalter, wenn man den Begriff desselben gehörig auf die eigentlichen Staatsbürger beschränkt, sehr vieles gewesen war, ward bei diesem Zustand des achtzehnten Jahrhunderts unmittelbar nichts, sondern hatte bloß durch seine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen mittelbaren Einfluß auf den Krieg.
Auf diese Weise wurde der Krieg, in eben dem Maße, wie sich die Regierung vom Volke trennte und sich als den Staat ansah, ein bloßes Geschäft der Regierungen, welches sie vermittelst der Taler in ihrem Koffer und der müßigen Herumtreiber in ihren und den benachbarten Provinzen zustande brachten. Die Folge war, daß die Mittel, welche sie aufbieten konnten, ein ziemlich bestimmtes Maß hatten, welches die eine von der andern gegenseitig übersehen konnte, und zwar ein Maß, sowohl ihrem Umfang als ihrer Dauer nach; dies raubte dem Kriege die gefährlichste seiner Seiten: nämlich das Bestreben zu dem Äußersten und in dunkle Reihe von Möglichkeiten, die sich daran knüpft.
Man kannte ungefähr die Geldmittel, den Schatz, den Kredit seines Gegners; man kannte die Größe seines Heeres. Bedeutende Vermehrungen im Augenblick des Krieges waren nicht tunlich. Indem man so die Grenzen der feindlichen Kräfte übersah, wußte man sich vor einem gänzlichen Untergange ziemlich sicher, und indem
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