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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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einer historischen Betrachtung schließen.
    Als in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine merkwürdige Umwälzung der europäischen Kriegskunst eintrat, wodurch die besten Heere einen Teil ihrer Kunst unwirksam werden sahen, und kriegerische Erfolge stattfanden, von deren Größe man bisher keinen Begriff gehabt hatte: schien es freilich, daß aller falsche Kalkül der Kriegskunst zur Last falle. Es war offenbar, daß sie, durch die Gewohnheit in engere Kreise der Begriffe eingeschränkt, überfallen worden war durch Möglichkeiten, die außerhalb dieser Kreise, aber freilich nicht außerhalb der Natur der Dinge lagen.
    Diejenigen Beobachter, welche den umfassendsten Blick hatten, schrieben die Erscheinung dem allgemeinen Einfluß zu, welchen die Politik seit Jahrhunderten auf die Kriegskunst, zum größten Nachteil derselben gehabt hatte, und wodurch diese zu einem Halbdinge, oft zu einer wahren Spiegelfechterei herabgesunken war. Das Faktum war richtig, aber es war nur falsch, dasselbe als ein zufällig entstandenes, vermeidliches Verhältnis anzusehen.
    Andere glaubten, alles aus dem augenblicklichen Einfluß der individuellen Politik Österreichs, Preußens, Englands usw. erklären zu können.
    Ist es aber wahr, daß der eigentliche Überfall, wovon sich die Intelligenz getroffen fühlte, innerhalb der Kriegführung fällt und nicht innerhalb der Politik selbst? d. h. nach unserer Sprache zu reden: ist das Unglück entstanden aus dem Einfluß der Politik auf den Krieg oder aus der falschen Politik selbst?
    Die ungeheuren Wirkungen der französischen Revolution nach außen sind aber offenbar viel weniger in neuen Mitteln und Ansichten ihrer Kriegführung, als in der ganz veränderten Staats- und Verwaltungskunst, in dem Charakter der Regierung, in dem Zustande des Volks usw. zu suchen. Daß die andern Regierungen alle diese Dinge unrichtig ansahen, daß sie mit gewöhnlichen Mitteln Kräften die Waage halten wollten, die neu und überwältigend waren: das alles sind Fehler der Politik.
    Hätte man nun diese Fehler von dem Standpunkte einer rein militärischen Auffassung des Krieges einsehen und verbessern können? Unmöglich. Denn wenn es auch wirklich einen philosophischen Strategen gegeben hätte, welcher bloß aus der Natur des feindseeligen Elementes alle Folgen hätte herleiten und dadurch eine Prophezeiung entfernter Möglichkeiten aufstellen wollen, so wäre es doch rein unmöglich gewesen, solchen Hirngespinsten die geringste Folge zu geben.
    Nur wenn die Politik sich zu einer richtigen Würdigung der in Frankreich erwachten Kräfte und der in der Politik Europas neuentstehenden Verhältnisse erhob, konnte sie das Resultat vorhersehen, welches für die großen Lineamente des Krieges daraus entstehen würde, und nur auf diese Weise auf den notwendigen Umfang der Mittel und die Wahl der besten Wege geführt werden.
    Man kann also sagen: die zwanzigjährigen Siege der Revolution sind hauptsächlich die Folge der fehlerhaften Politik der ihr gegenüberstehenden Regierungen.
    [610] Freilich haben sich diese Fehler erst innerhalb des Krieges offenbart, und die Erscheinungen desselben haben den Erwartungen, welche die Politik hatte, völlig widersprochen. Dies ist aber nicht deshalb geschehen, weil die Politik versäumt hatte, sich bei der Kriegskunst Rats zu erholen. Diejenige Kriegskunst, an welche ein Politiker glauben konnte, d. h. die aus der wirklichen Welt, die der Politik der Zeit zugehörige, das ihr wohlbekannte Instrument, dessen sie sich bis dahin bedient hatte, diese Kriegskunst, sage ich, war natürlich in dem Irrtum der Politik mitbefangen und konnte sie darum nicht eines Besseren belehren. Es ist wahr, auch der Krieg selbst hat in seinem Wesen und in seinen Formen bedeutende Veränderungen erlitten, die ihn seiner absoluten Gestalt nähergebracht haben; aber diese Veränderungen sind nicht dadurch entstanden, daß die französische Regierung gewissermaßen emanzipiert, vom Gängelbande der Politik losgelassen hätte, sondern sie sind aus der veränderten Politik entstanden, welche aus der französischen Revolution sowohl für Frankreich als für ganz Europa hervorgegangen ist. Diese Politik hatte andere Mittel, andere Kräfte aufgeboten und dadurch eine Energie der Kriegführung möglich gemacht, an welche außerdem nicht zu denken gewesen wäre.
    Also auch die wirklichen Veränderungen der Kriegskunst sind eine Folge der veränderten Politik, und weit entfernt, für die mögliche

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