Vom Kriege
Punkten dasselbe tun, und wenn unser Unternehmen nicht von einer überwiegenden Wichtigkeit ist, so wird der Feind dadurch nicht gezwungen werden, das seinige aufzugeben. Es kommt also auf eine reifliche Überlegung an, ob wir auf der einen Seite nicht mehr verlieren, als wir auf der andern gewinnen.
An und für sich verliert man immer mehr durch die feindliche Eroberung als man durch die eigene gewinnt, wenn auch der Wert beider Provinzen genau derselbe sein sollte, weil eine Menge von Kräften gewissermaßen als feux froids außer Wirksamkeit kommen. Allein da dies auch der Fall beim Gegner ist, so sollte dies eigentlich kein Grund sein, mehr auf die Erhaltung als auf die Eroberung bedacht zu sein. Und doch ist es so. Die Erhaltung des Eigenen liegt immer näher, und der eigene Schmerz, den unser Staat erleidet, wird nur dann durch die Vergeltung aufgewogen und gewissermaßen neutralisiert, wenn diese merkliche Prozente verspricht, d. h. viel größer ist.
Die Folge von allem ist: daß ein solcher strategischer Angriff, der nur ein mäßiges Ziel hat, sich viel weniger von der Verteidigung der andern, durch ihn nicht unmittelbar gedeckten Punkte losmachen kann, als einer, der gegen den Schwerpunkt des feindlichen Staates gerichtet ist; es kann also in ihm auch die Vereinigung der Kräfte in Zeit und Ort niemals so weit getrieben werden. Damit sie nun wenigstens in der Zeit stattfinden könne, so entsteht das Bedürfnis, von allen einigermaßen dazu geeigneten Punkten angriffsweise, und zwar gleichzeitig, vorzugehen, und es entgeht also diesem Angriff der andere Vorteil, daß er sich durch die Verteidigung auf einzelnen Punkten mit weit geringeren Kräften behelfen könnte. Auf diese Weise stellt sich bei einem so mittelmäßigen Ziele alles mehr im Niveau; der ganze kriegerische Akt kann nicht mehr in eine Haupthandlung zusammengedrängt und diese nach Hauptgesichtspunkten geleitet werden; er breitet sich mehr aus; überall wird die Friktion größer und überall dem Zufall mehr Feld eingeräumt.
Dies ist die natürliche Tendenz der Sache. Der Feldherr wird durch sie heruntergezogen, immer mehr neutralisiert. Je mehr er sich fühlt, je mehr innere Hilfsmittel und äußere Gewalt er hat, um so mehr wird er suchen, sich von dieser Tendenz loszumachen, um einem einzelnen Punkte eine vorherrschende Wichtigkeit zu geben, sollte es auch nur durch ein größeres Wagen möglich werden.
Achtes Kapitel
Beschränktes Ziel. Verteidigung
Das endliche Ziel der Verteidigungskriege kann niemals eine absolute Negation sein, wie wir es schon früher gesagt haben. Es muß auch für den Schwächsten irgend etwas geben, womit er seinem Gegner empfindlich werden, ihn bedrohen kann.
Zwar könnte man sagen, dieses Ziel könne im Ermüden des Gegners bestehen, denn da dieser das Positive will, so ist im Grunde jede fehlgeschlagene Unternehmung, wenn sie auch keine anderen Folgen hat als den Verlust der darauf verwendeten Kräfte, schon ein Zurückschreiten, während der Verlust, welchen der Angegriffene erleidet, nicht vergeblich war, weil die Erhaltung sein Ziel war und dieses Ziel erreicht ist. So, würde man sagen, liegt für den Verteidiger in der bloßen Erhaltung sein positives Ziel. Diese Vorstellungsart könnte gelten, wenn man imstande wäre, zu sagen: der Angreifende muß nach einer bestimmten Anzahl vergeblicher Versuche ermüden und nachlassen. Allein diese Notwendigkeit fehlt eben. Sehen wir auf das reelle Erschöpfen der Kräfte, so ist der Verteidiger, bei der Totalvergleichung im Nachteil. Der Angriff schwächt, aber nur in dem Sinn, daß es einen Umschwungspunkt geben kann; wo dieser gar nicht mehr gedacht wird, ist die Schwächung allerdings größer beim Verteidiger als beim Angreifenden: denn teils ist er der Schwächere, und bei gleicher Einbuße verliert er also mehr als der andere, teils nimmt ihm jener gewöhnlich einen Teil seiner Länder und Hilfsquellen.
Es kann also hieraus kein Grund des Nachlassens für den Gegner entnommen werden, und es bleibt immer nur die Vorstellung übrig, daß, wenn der Angreifende seine Streiche wiederholt, während der Verteidiger nichts tut als sie abzuwehren, dieser die Gefahr, daß einer früher oder später gelingen könnte, durch kein Gegengewicht ausgleichen kann.
Wenn also auch wirklich die Erschöpfung oder vielmehr die Ermüdung des Stärkeren schon oft einen Frieden herbeigeführt hat, so liegt das in jener Halbheit, welche der Krieg meistens hat, und kann
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