Vom Kriege
Trennung beider zu beweisen, sind sie vielmehr ein starker Beweis ihrer innigen Vereinigung.
Also noch einmal: der Krieg ist ein Instrument der Politik; er muß notwendig ihren Charakter tragen, er muß mit ihrem Maße messen; die Führung des Krieges in seinen Hauptumrissen ist daher die Politik selbst, welche die Feder mit dem Degen vertauscht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren eigenen Gesetzen zu denken.
Siebentes Kapitel
Beschränktes Ziel. Angriffskrieg
Selbst dann, wenn auch nicht die Niederwerfung des Gegners das Ziel sein kann, kann es doch noch ein unmittelbar positives sein, und dieses positive Ziel kann also nur in der Eroberung eines Teils der feindlichen Länder bestehen.
Der Nutzen einer solchen Eroberung besteht darin, daß wir die feindlichen Staatskräfte, folglich auch seine Streitkräfte, schwächen und die unsrigen vermehren; daß wir also den Krieg zum Teil auf seine Kosten führen. Ferner, daß beim Friedensschluß der Besitz feindlicher Provinzen als ein barer [611] Gewinn anzusehen ist, weil wir sie entweder behalten oder andere Vorteile dafür eintauschen können.
Diese Ansicht von einer Eroberung des feindlichen Staates ist sehr natürlich und würde nichts gegen sich haben, wenn nicht der Verteidigungszustand, welcher dem Angriff folgen muß, häufig Bedenken erregen könnte.
In dem Kapitel vom Kulminationspunkt des Sieges haben wir hinreichend auseinandergesetzt, auf welche Weise eine solche Offensive die Streitkräfte schwächt, und daß ihr ein Zustand folgen kann, der gefährliche Folgen besorgen läßt.
Diese Schwächung unserer Streitkraft durch die Eroberung eines feindlichen Landstrichs hat ihre Grade, und diese hängen am meisten von der geographischen Lage eines solchen Landstriches ab. Je mehr er ein Supplement unserer eigenen Länder ist, innerhalb derselben liegt oder sich an ihnen hinzieht, je mehr er in der Richtung der Hauptkräfte liegt, um so weniger wird er unsere Streitkraft schwächen. Sachsen, im Siebenjährigen Kriege, war ein natürliches Supplement des preußischen Kriegstheaters, und die Streitkraft Friedrichs des Großen wurde durch die Besetzung desselben nicht bloß nicht vermindert, sondern verstärkt, weil es Schlesien näher liegt als der Mark und diese doch zugleich deckt.
Selbst Schlesien, nachdem Friedrich der Große im Jahr 1740 und 1741 es einmal erobert hatte, schwächte seine Streitkräfte nicht, denn seiner Gestalt und Lage sowie der Beschaffenheit seiner Grenze nach bot es den Österreichern nur eine schmale Spitze dar, solange sie nicht Meister von Sachsen waren, und dieser schmale Punkt des Kontaktes lag ohnehin noch in der Richtung, welche die gegenseitigen Hauptstöße nehmen mußten.
Wenn dagegen der eroberte Landstrich sich mitten zwischen die andern feindlichen Provinzen hineinstreckt, eine exzentrische Lage hat und eine ungünstige Gestalt des Bodens, so wächst die Schwächung so sichtbar, daß nicht bloß eine siegreiche Schlacht dem Feinde erleichtert, sondern daß diese für ihn unnötig wird.
Die Österreicher haben jedesmal die Provence ohne Schlacht räumen müssen, wenn sie von Italien aus einen Versuch darauf gemacht haben. Die Franzosen im Jahre 1744 dankten Gott, aus Böhmen zu entkommen, auch ohne eine Schlacht verloren zu haben. Friedrich der Große konnte sich 1758 in Böhmen und Mähren nicht halten mit derselben Streitkraft, die ihm im Jahre 1757 in Schlesien und Sachsen so glänzende Erfolge gegeben hatte. Überhaupt gehören die Beispiele von Armeen, die sich in dem eroberten Landstrich nicht halten konnten, bloß weil ihre Streitkraft dadurch geschwächt wurde, zu dem gewöhnlichen Vorkommen, und es ist also nicht der Mühe wert, noch andere davon herauszuheben.
Es kommt also bei der Frage, ob wir uns ein solches Ziel stecken sollen, darauf an, ob wir uns versprechen können, im Besitz der Eroberung zu bleiben, oder ob ein vorübergehender Besitz (Invasion, Diversion) die darauf [612] verwendeten Kräfte hinreichend vergilt, besonders, ob nicht ein starker Rückschlag zu befürchten ist, der uns ganz aus dem Gleichgewicht wirft. Wie vieles bei dieser Frage in jedem einzelnen Fall zu überlegen ist, davon haben wir im Kapitel von dem Kulminationspunkt gesprochen.
Nur eines müssen wir noch hinzufügen.
Eine solche Offensive ist nicht immer geeignet, dasjenige wieder einzubringen, was wir auf andern Punkten verlieren. Während wir uns mit einer Teileroberung beschäftigen, kann der Feind auf andern
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