Vom Kriege
und ist dadurch in die Reihe der wirklichen Dinge getreten. Gesetzt, der Feind hätte in beiden Fällen unseren Korps andere entgegengestellt, denen sie nicht gewachsen wären, und sie dadurch bewogen, ohne Gefecht ihren Zweck aufzugeben, so ist zwar unser Zweck verfehlt, aber das Gefecht, welches wir dem Feinde auf diesem Punkte anboten, darum doch nicht ohne Wirkung geblieben, denn es hat die feindlichen Kräfte herbeigezogen. Selbst dann, wenn uns das ganze Unternehmen zum Schaden gereicht, kann man nicht sagen, daß jene Aufstellungen, jene möglichen Gefechte ohne Wirkung geblieben seien; diese Wirkungen sind dann denen eines verlorenen Gefechts ähnlich.
Auf diese Weise zeigt sich, daß die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte und die Niederwerfung der feindlichen Macht nur durch die Wirkungen des Gefechts geschehen, sei es, daß es wirklich stattfinde, oder daß es bloß angeboten und nicht angenommen werde.
Doppelter Zweck des Gefechts
Aber diese Wirkungen sind auch doppelter Art: unmittelbare und mittelbare. Das letztere sind sie, wenn andere Gegenstände sich einschieben und Zweck des Gefechts werden, die nicht schon an sich als Vernichtung feindlicher Streitkräfte angesehen werden können, sondern erst dazu führen sollen, zwar mit einem Umweg, aber mit um so größerer Gewalt. Der Besitz von Provinzen, Städten, Festungen, Straßen, Brücken, Magazinen usw. kann der nächste Zweck eines Gefechts sein, aber niemals der letzte. Immer müssen diese Gegenstände nur als Mittel zu größerer Überlegenheit angesehen werden, um dem Gegner zuletzt in solcher Lage das Gefecht anzubieten, da es ihm unmöglich ist, dasselbe anzunehmen. Es sind also alle diese Dinge nur als Zwischenglieder, gleichsam als Leiter des wirksamen Prinzips anzusehen, niemals als das wirksame Prinzip selbst.
[157] Beispiele
Als man im Jahre 1814 Bonapartes Hauptstadt eingenommen hatte, war der Zweck des Krieges erreicht. Die politischen Spaltungen, welche ihre Wurzel in Paris hatten, traten in Wirksamkeit, und ein ungeheurer Riß ließ die Macht des Imperators in sich zusammensinken. Nichtsdestoweniger ist man genötigt, alles dies unter dem Gesichtspunkte zu betrachten, daß dadurch die Streitkraft und die Widerstandsfähigkeit Bonapartes plötzlich sehr vermindert, die Überlegenheit der Verbündeten also in eben dem Maße erhöht, und nun jeder fernere Widerstand unmöglich wurde. Diese Unmöglichkeit war es, die den Frieden mit Frankreich gab. Denkt man sich die Streitkräfte in diesem Augenblick durch äußere Umstände, in eben dem Maße verringert,- verschwindet die Überlegenheit, so verschwindet auch die ganze Wirkung und Wichtigkeit der Einnahme von Paris.
Wir haben diese Vorstellungsreihe durchlaufen, um zu zeigen, daß dies die natürliche und einzig wahre Ansicht der Sache ist, woraus sich ihre Wichtigkeit ergibt. Sie führt unaufhörlich zu der Frage zurück: welches wird in jedem Augenblick des Krieges und des Feldzuges der wahrscheinliche Erfolg der großen und kleinen Gefechte sein, die beide Teile einander anzubieten haben? Nur diese Frage entscheidet bei dem Durchdenken eines Feldzugs- oder Kriegsplans über die Maßregeln, die man von vornherein zu nehmen hat.
Sieht man es nicht so an, so gibt man anderen Dingen einen falschen Wert
Gewöhnt man sich nicht, den Krieg und im Kriege den einzelnen Feldzug als eine Kette zu betrachten, die aus lauter Gefechten zusammengesetzt ist, von denen eins immer das andere herbeiführt, gibt man sich der Vorstellung hin, daß die Einnahme gewisser geographischer Punkte, die Besitznahme unverteidigter Provinzen an sich etwas sei, so ist man auch nahe daran, es als einen Vorteil zu betrachten, den man beiher einstecken könnte, und indem man es so, und nicht als ein Glied in der ganzen Reihe der Begebenheiten betrachtet, fragt man sich nicht, ob dieser Besitz nicht später zu größeren Nachteilen führen wird. Wie oft finden wir diesen Fehler in der Kriegsgeschichte wieder. Man möchte sagen: so wie der Negoziant den Gewinn einer einzelnen Unternehmung nicht beiseite und in Sicherheit bringen kann, so kann auch im Kriege ein einzelner Vorteil nicht von dem Erfolg des Ganzen gesondert werden. So wie jener immer mit der ganzen Masse seines Vermögens wirken muß, ebenso wird im Kriege nur die endliche Summe über den Vorteil und Nachteil des einzelnen entscheiden.
Ist aber der Blick des Geistes immer auf die Reihe der Gefechte gerichtet, soweit sie sich vorher übersehen
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