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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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umfassender wird der Blick, um so richtiger das Resultat; aber freilich immer nur in dem Sinn, daß mit den größeren Zwecken auch die größeren Gefahren verbunden bleiben. Der gewöhnliche Mensch, um nicht von den schwachen und unentschlossenen zu reden, kommt höchstens bei einer eingebildeten Wirksamkeit auf seinem Zimmer, entfernt von Gefahr und Verantwortlichkeit, zu einem richtigen Resultat, soweit nämlich ein solches ohne lebendige Anschauung möglich ist. Treten ihm aber Gefahr und Verantwortlichkeit überall nahe, so verliert er den Überblick, und bliebe ihm dieser etwa durch den Einfluß anderer, so würde er den Entschluß verlieren, weil da kein anderer aushelfen kann.
    So glauben wir denn, daß ohne Kühnheit kein ausgezeichneter Feldherr zu denken ist, d. h. daß ein solcher nie aus einem Menschen werden kann, dem diese Kraft des Gemütes nicht angeboren ist, die wir also als die erste Bedingung einer solchen Laufbahn ansehen. Wieviel von dieser angeborenen, durch die Erziehung und das übrige Leben weiterausgebildeten und modifizierten Kraft übrig bleibt, wenn der Mann die hohe Stelle erreicht hat, ist die zweite Frage. Je größer diese Kraft noch ist, um so stärker ist der Flügelschlag des Genies, um so höher der Flug. Das Wagnis wird immer größer, aber das Ziel wächst mit ihm. Ob die Linien [168] von einer entfernten Notwendigkeit auslaufen und ihre Richtung bekommen oder nach dem Schlußstein eines Gebäudes hinziehen, welches der Ehrgeiz entworfen hat, ob Friedrich oder Alexander handeln, ist für die kritische Betrachtung ziemlich dasselbe. Reizt das letztere mehr die Phantasie, weil es noch kühner ist, so befriedigt das erstere mehr den Verstand, weil es mehr innere Notwendigkeit hat.
    Jetzt müssen wir aber noch eines wichtigen Verhältnisses gedenken.
    Der Geist der Kühnheit kann in einem Heere zu Hause sein, entweder weil er es im Volke ist oder weil er sich in einem glücklichen Kriege unter kühnen Führern erzeugt hat; in diesem Fall aber wird man ihn im Anfange entbehren.
    Nun gibt es in unseren Zeiten kaum ein anderes Mittel, den Geist des Volkes in diesem Sinne zu erziehen, als eben den Krieg, und zwar die kühne Führung desselben. Durch sie allein kann jener Weichlichkeit des Gemüts, jenem Hang nach behaglicher Empfindung entgegengewirkt werden, welche ein in steigendem Wohlstand und in erhöhter Tätigkeit des Verkehrs begriffenes Volk herunterziehen.
    Nur wenn Volkscharakter und Kriegsgewohnheit in beständiger Wechselwirkung sich gegenseitig tragen, darf ein Volk hoffen, einen festen Stand in der politischen Welt zu haben.
Siebentes Kapitel: Beharrlichkeit
    Von Winkeln und Linien erwartet der Leser zu hören und findet statt dieser Bürger der wissenschaftlichen Welt nur Leute aus dem gemeinen Leben, die er alle Tage auf der Straße begegnet. Und doch kann der Verfasser sich nicht entschließen, ein Haarbreit mathematischer zu werden, als ihm sein Gegenstand zu sein scheint, und er scheut nicht die Befremdung, welche ihm sein Leser zeigen könnte.
    Im Kriege mehr als irgend sonstwo in der Welt kommen die Dinge anders, als man sich es gedacht hat, und sehen in der Nähe anders aus als in der Entfernung. Mit welcher Ruhe kann der Baumeister sein Werk aufsteigen und in seine Zeichnung hineinwachsen sehen! Der Arzt, obgleich viel mehr unerforschlichen Wirkungen und Zufällen preisgegeben als der Baumeister, kennt doch die Wirkungen und Formen seiner Mittel genau. Im Kriege, befindet sich der Führer eines großen Ganzen im beständigen Wellenschlag von falschen und wahren Nachrichten; von Fehlern, [169] die begangen werden aus Furcht, aus Nachlässigkeit, aus Übereilung; von Widerspenstigkeiten, die ihm gezeigt werden aus wahrer oder falscher Ansicht, aus üblem Willen, wahrem oder falschem Pflichtgefühl, Trägheit oder Erschöpfung, von Zufällen, an die kein Mensch gedacht hat. Kurz, er ist hunderttausend Eindrücken preisgegeben, von denen die meisten eine besorgliche, die wenigsten eine ermutigende Tendenz haben. Lange Kriegserfahrung bringt zu dem Takt, den Wert dieser einzelnen Erscheinungen schnell zu würdigen; hoher Mut und innere Stärke widerstehen ihnen, wie der Fels dem Geplätscher der Wellen. Wer diesen Eindrücken nachgeben wollte, würde keine seiner Unternehmungen durchführen, und darum ist die Beharrlichkeit in dem gefaßten Vorsatz, so lange nicht die entschiedensten Gründe dagegen eintreten, ein sehr notwendiges Gegengewicht. - Ferner gibt es im

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