Vom Kriege
keine Beispiele von einem Marathon.
Friedrich der Große schlug bei Leuthen mit etwa 30000 Mann 80000 Österreicher, bei Roßbach mit 25000 Mann einige 50000 Mann Verbündete; das sind aber auch die einzigen Beispiele eines gegen den doppelt und mehr als doppelt so starken Feind errungenen Sieges. Karl XII. in der Schlacht bei Narwa können wir füglich nicht anführen. Die Russen waren damals kaum als Europäer zu betrachten, auch sind selbst die Hauptumstände dieser Schlacht zu wenig bekannt. Bonaparte bei Dresden hatte 120000 gegen 220000, es war also noch nicht das Doppelte. Bei Kolin wollte es Friedrich dem Großen mit 30000 Mann gegen 50000 Österreicher nicht gelingen, und ebenso Bonaparte in der verzweiflungsvollen Leipziger Schlacht, wo er 160000 Mann gegen 280000 stark war, die Überlegenheit also lange nicht das Doppelte war.
Es geht hieraus wohl hervor, daß im heutigen Europa es dem talentvollsten Feldherrn sehr schwer ist, einer feindlichen Macht von doppelter Stärke den Sieg abzugewinnen; sehen wir die doppelte Streitkraft gegen die größten Feldherren ein solches Gewicht in die Waagschale legen, so dürfen wir nicht zweifeln, daß in gewöhnlichen Fällen bei großen und kleinen Gefechten eine bedeutende Überlegenheit, die aber doch das Doppelte nicht zu übersteigen braucht, hinreichen wird, den Sieg zu verleihen, wie nachteilig auch die anderen Umstände sein mögen. Freilich kann man sich einen Paß denken, wo auch das Zehnfache zur Überwältigung nicht hinreichen würde; aber in solchem Falle kann von Gefecht überhaupt nicht mehr die Rede sein.
Wir glauben also, daß gerade in unseren Verhältnissen sowie in allen ähnlichen die Stärke auf dem entscheidenden Punkt eine große Hauptsache, und daß dieser Gegenstand in der Allgemeinheit der Fälle geradezu unter allen der wichtigste sei. Die Stärke auf dem entscheidenden Punkte hängt von der absoluten Stärke des Heeres und von der Geschicklichkeit der Verwendung ab.
Die erste Regel würde also sein: mit einem Heere, so stark als möglich ins Feld zu ziehen. Das klingt sehr nach einem Gemeinspruch und ist doch wirklich keiner.
Um zu beweisen, wie man lange Zeit hindurch die Stärke der Streitkräfte keineswegs für eine Hauptsache angesehen hat, dürfen wir nur bemerken, daß in den meisten, selbst in den ausführlicheren Kriegsgeschichten des achtzehnten Jahrhunderts die Stärke der Heere entweder gar nicht oder nur nebenher angegeben und niemals ein besonderer Wert darauf gelegt wird. Tempelhoff in seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges ist der früheste von den Schriftstellern, der sie regelmäßig, aber dennoch nur sehr oberflächlich angibt.
[172] Selbst Massenbach in seinen mancherlei kritischen Betrachtungen über die preußischen Feldzüge von 1793 und 1794 in den Vogesen spricht viel von Bergen, Tälern, Wegen und Fußstegen, sagt aber nie eine Silbe von der gegenseitigen Stärke.
Ein anderer Beweis liegt in einer wunderbaren Idee, welche in den Köpfen mancher kritischen Schriftsteller spukte, nach der es eine gewisse Größe eines Heeres gab, welches die beste war, eine Normalgröße, über die hinaus die überschießenden Streitkräfte mehr lästig als nützlich wären. 3
Endlich gibt es eine Menge von Beispielen, wo nicht alle verwendbaren Streitkräfte in der Schlacht oder im Kriege wirklich verwendet wurden, weil man die Überlegenheit der Zahl nicht von der Wichtigkeit glaubte, die ihr nach der Natur der Sache gebührt.
Ist man von der Überzeugung, daß mit einer beträchtlichen Übermacht alles mögliche zu erzwingen ist, recht durchdrungen, so kann es nicht fehlen, daß diese klare Überzeugung auf die Anstalten zum Kriege zurückwirkt, um mit so viel Kräften, als nur immer möglich, aufzutreten und entweder selbst das Übergewicht zu bekommen, oder sich wenigstens vor einem feindlichen zu verwahren. So viel was die absolute Macht betrifft, mit welcher der Krieg geführt werden soll.
Das Maß dieser absoluten Macht wird von der Regierung bestimmt, und obgleich mit dieser Bestimmung schon die eigentliche kriegerische Tätigkeit beginnt und dieselbe ein ganz wesentlicher, strategischer Teil derselben ist: so muß doch in den meisten Fällen der Feldherr, welcher diese Streitkraft im Kriege führen soll, ihre absolute Stärke als ein Gegebenes betrachten, sei es, daß er keinen Teil an ihrer Bestimmung hatte, oder daß die Umstände verhinderten, ihr eine genügende Ausdehnung zu geben.
Es bleibt also nur
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