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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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die vielen Koffer auf der Ablage zu einem kleinen Berg, während die Zwillinge sich nacheinander mit Umarmungen von Jules, Vincent und mir verabschiedeten. Gaspard und Jean-Baptiste bekamen förmliche Wangenküsse zum Abschied.
    Kaum kündigte eine digitalisierte Frauenstimme die bevorstehende Abfahrt des Zuges an, löste Charles sich aus Ambroses Umklammerung und stieg, ohne sich noch einmal umzusehen, in den Zug. Anders als Charlotte. Sie drehte sich zu uns um und wischte sich dabei ein paar Tränen aus dem Augenwinkel. »Ihr seid schon bald wieder zurück«, machte Jean-Baptiste ihr Mut. Er klang sehr bewegt, was bei ihm Seltenheitswert hatte. Sie nickte stumm, sichtbar bemüht, nicht völlig in Tränen auszubrechen.
    »Mail mir ... Und ruf mich an!«, erinnerte ich sie. »Wir bleiben in Kontakt, das versprech ich dir!« Ich warf ihr mit beiden Händen noch einen Luftkuss zu, dann verschwand sie hinter den abgedunkelten Scheiben. Vincent legte mir tröstend einen Arm um die Schultern und ich wandte mich vom Zug ab, damit die Zwillinge mich nicht weinen sahen.
    Charlotte war das einzige Mädchen, das ich näher kennengelernt hatte, seit ich vor einem Jahr nach Paris gezogen war. Das lag zu einem Großteil an mir, ich hatte nie aktiv Freunde gesucht. Die Hälfte der Zeit vegetierte ich allein vor mich hin. Und dann tauchte Vincent in meinem Leben auf und hatte diese Gruppe von Freunden quasi im Gepäck. Dabei war mir natürlich nicht entgangen, dass ich lieber mit Untoten meine Zeit verbrachte als mit Lebenden. Ich versuchte allerdings, nicht darüber nachzudenken, was das über mich aussagte.
    Der lang gezogene Ton aus der Trillerpfeife des Zugbegleiters zerschnitt die kalte Morgenluft. Der Zug erzitterte kurz, bevor er sich in Bewegung setzte. Unsere kleine, zusammengewürfelte Gruppe winkte den abgedunkelten Fenstern hinterher und lief dann schweigend Richtung Bahnhofseingang. Alle schienen ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, als plötzlich Vincents Telefon zu klingeln begann. Er warf einen kurzen Blick auf das Display und nahm mit den Worten » Bonjour , Geneviève« den Anruf entgegen. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen, sein Gesicht aschfahl. »Oh nein. Nein.«
    In seiner Stimme schwang so viel Trauer mit, dass alle anderen erstarrten und ihn abwartend beobachteten. »Bleib einfach, wo du bist. Wir machen uns sofort auf den Weg.« Er legte auf und sagte: »Genevièves Mann ist letzte Nacht gestorben. Er hat sich gestern Abend ganz normal schlafen gelegt und ist einfach nicht wieder aufgewacht.«
    Unwillkürlich atmeten wir alle gleichzeitig ein und standen völlig perplex da. »Meine arme Geneviève«, sagte Gaspard irgendwann und brach damit endlich das Schweigen.
    »Hat sie schon ...«, setzte Jean-Baptiste an.
    »Philippes Tod wurde bereits von einem Arzt bestätigt und sein Leichnam von einem Bestatter abgeholt. Sie hätte sich eher gemeldet, doch sie hat befürchtet, dass Charlotte nicht mehr in den Zug steigt, wenn sie vorher davon erfährt.«
    Jean-Baptiste nickte.
    Obwohl Geneviève am anderen Ende der Stadt wohnte und nicht oft in La Maison anzutreffen war, verband sie und Charlotte eine jahrzehntelange Freundschaft. Charlotte hatte einmal erwähnt, dass es nicht leicht ist, permanent nur von Jungs umgeben zu sein. Bevor ich auf der Bildfläche auftauchte, war Geneviève ihre einzige Freundin gewesen. Charlotte war oft zu ihr nach Hause geflohen, wenn sie Streit mit ihrem Bruder gehabt hatte.
    »Sie bat darum, dass ein paar von uns zu ihr fahren, um ihr bei den Beerdigungsvorbereitungen zu helfen. Kate, möchtest du mitkommen?«, fragte er. Ich nickte.
    »Ich komm auch mit«, sagten Jules und Ambrose wie aus einem Mund.
    »Ambrose, ich hatte gehofft, du würdest Violette und Arthur bei ihrem Einzug tatkräftig unterstützen«, sagte Gaspard. »Aber wenn du ...« Er zögerte, als wäre er sich unsicher, ob diese Bitte gerechtfertigt war.
    Auch Ambrose zögerte, offensichtlich hin- und hergerissen. Schließlich gab er nach. »Nein, du hast ganz recht, Gaspard. Ich komme mit euch nach Hause. Sprecht Geneviève mein Mitgefühl aus und richtet ihr aus, dass ich später bei ihr vorbeischaue, ja?«, sagte Ambrose. Er nahm seinen Motorradhelm in die andere Hand, um Vincent kurz auf die Schulter zu klopfen. Dann verließ er mit großen Schritten den Bahnhof, Gaspard und Jean-Baptiste folgten ihm unmittelbar.
    Jules, Vincent und ich stiegen in eins der Taxis, die vor dem Bahnhof warteten, und waren

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