Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
Vom Netzwerk:
fast zu Tode erschreckt. Wieso schleichst du dich so an?«, fragte ich und drückte mir eine Hand auf die Brust, als könnte ich dadurch mein wild schlagendes Herz beruhigen.
    »Ich hab mich nicht angeschlichen«, sagte er kalt. »Ich hätte nicht mal gewusst, wo du bist, wenn Gaspard nicht volant wäre. Er ist dir hierhergefolgt und dann sofort zu mir gekommen. Dir hätte hier sonst was zustoßen können.«
    Obwohl Vincent nicht wissen konnte, wie aufgeregt ich noch vor ein paar Minuten wegen dem Mann im Mantel gewesen war, schlug meine Anspannung augenblicklich in Wut um. »Zustoßen? Hier? Am helllichten Tag? Was denn? Irre Jim-Morrison-Fans, die mich überfallen? Grabsteine, die umkippen?«
    »Numa.«
    »Vincent, ich bitte dich. Wir stehen hier mitten auf Pere Lachaise, quasi dem Disneyland für Tote. Das hier ist ganz sicher keine Buffy-Filmkulisse, wo man fürchten muss, dass Vampire aus Gräbern klettern, sobald man sich umdreht.«
    »Kate, wir sind in höchster Alarmbereitschaft. Niemand weiß, wo die Numa sind oder was sie Vorhaben. Normalerweise würden sie gerade an einem Tag wie heute angreifen. Dutzende Revenants gleichzeitig an einem Ort! Das ist die Gelegenheit für sie. Deshalb sind wir alle bewaffnet hergekommen.« Er schob seinen Mantel beiseite und entblößte ein Schwert an seiner Seite und mehrere Messer, die an seinem Bein befestigt waren.
    Das brachte mich zum Schweigen.
    »Wieso bist du allein weggegangen?« Die Sorge war aus seiner Stimme gewichen; nun sah er nur noch beunruhigt und verwirrt aus.
    Einen Moment lang starrte ich ihn einfach an. Dann ließ ich meinen Blick auf die Figuren neben uns wandern – dort lag das tragische Liebespaar. Vincent folgte meinem Blick – und schließlich schien er zu begreifen. Er schloss die Augen, als könne er so das Bild zum Verschwinden bringen.
    »Ich musste dort weg, Vincent. Ich hab’s nicht ausgehalten«, setzte ich an, doch die Trauer, der Regen, die Kälte und die Angst hatten sich gegen mich verschworen und schnürten mir die Kehle zu, sodass mir alle weiteren Worte im Hals stecken blieben.
    »Ich kann dich verstehen«, sagte er, legte einen Arm um mich und zog mich von dem steinernen Sarg weg. Dann sah er mir in die Augen. »Es ist kalt und du bist ganz durchgeweicht. Komm, verschwinden wir von hier.«
    Als wir gingen, warf ich noch einen schnellen Blick über die Schulter. Keine Spur mehr von dem Mann im Mantel – er war schon lange fort –, doch nachdem Vincent die Numa erwähnt hatte, fragte ich mich, wieso ich so extrem auf diesen Mann reagiert hatte. Konnte es wirklich sein, dass mir ein Numa über den Friedhof gefolgt war?
    Aber das war jetzt auch egal, entschied ich, denn wenn ich es erwähnte, würde sich Vincent nur unnötig aufregen. Also schob ich den Gedanken fort und zog meinen Freund enger an mich heran.

 
    B evor ich Vincent getroffen hatte, ähnelte mein Leben dieser Filmmetapher, wo nach und nach die Tage vom Kalender abblättern, um zu zeigen, wie schnell die Zeit vergeht. Doch seither war jeder Tag ein besonderer gewesen. Vincent war das erste Mal bei mir zu Besuch gewesen und hatte meine Großeltern kennengelernt. Wir waren das erste Mal zusammen im Kino ( Holy Grail, wo Vincent mich schwer beeindruckte, weil er genau wie ich die besten Szenen auf Englisch mitsprechen konnte). Unser erstes gemeinsames Silvesterfest.
    Heute war mein letzter freier Tag, bevor die Schule nach den Feiertagen wieder losgehen würde. Ich hatte noch genau anderthalb Schuljahre vor mir. Schon wieder etwas, das diesen Tag besonders machte. Natürlich wollte ich ihn so verbringen, wie ich derzeit am liebsten meine Zeit verbrachte.
    Ich flitzte die knarrenden Holzstufen unseres Apartmenthauses hinunter, jeder Schritt von mehr Vorfreude begleitet. Der Tag lag vor mir wie ein neues Land, das entdeckt werden wollte. Zusammen mit dem Menschen, der mir am liebsten war.
    Ich sah ihn sofort, als ich durch die Haustür kam. Ungläubig schüttelte ich den Kopf, joggte über die Straße zu dem kleinen Park und schob mich durch das kleine Metalltor.
    »Was soll das denn? Wir wollten doch heute irgendwo frühstücken gehen«, lachte ich und deutete auf die Picknickdecke, auf der er lag, Picknickkorb und Thermoskanne neben sich.
    »Und hier ist nicht irgendwo?«, entgegnete Vincent. Seine Augen waren hinter einer verspiegelten Sonnenbrille verborgen.
    Sein lässiges Lächeln bewirkte, was es immer bei mir bewirkte: Es fühlte sich an, als würde sich eine

Weitere Kostenlose Bücher