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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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wurden ihm all die Tode und Lebensrettungen, die er geleistet hatte, zu viel und er zog sich zurück, um wie ein Eremit in einer Hütte auf einem Berg zu leben. Jahrzehnte später erreichte ein Schreiben mit der Bitte um Hilfe seine Anverwandten.
    Sie machten sich auf den Weg zu ihm, um ihn zu holen. Er war körperlich mittlerweile in den Achtzigern, und sie mussten ihm helfen, jemanden zu finden, den er retten konnte. Er erklärte ihnen, dass das Verlangen, für jemanden zu sterben, wie eine Flutwelle über ihn hereingebrochen war. Der Drang war so groß, dass es ihm unmöglich wurde, auf seinen Tod zu warten – was er ja eigentlich gewollt hatte.«
    Für eine Weile gingen wir schweigend weiter, während sich unweigerlich Gedanken über unsere eigene Zukunft aufdrängten.
    Egal, ob Vincent oder ich einen Weg fanden, sein Leiden zu mindern – uns drohte so oder so ein tragisches Ende. Selbst wenn er es schaffen würde, körperlich so alt zu werden wie ich, würde er dennoch unweigerlich irgendwann – mit achtzig oder wann auch immer – an den Punkt kommen, den kein Revenant überwinden konnte. Dann würde er sein Leben für jemanden opfern und drei Tage später wieder neunzehnjährig erwachen. Ich würde sterben und er unsterblich bleiben. Daran ließ sich einfach nichts ändern.
    Vincent spürte meine Hoffnungslosigkeit und lenkte mich zum Geländer der Brücke. Dort standen wir dann Hand in Hand und schauten dem Fluss zu, wie er sich in kleinen, schnellen Strudeln fortbewegte. Die perfekte Metapher für den unaufhaltsamen Strom der Zeit.

 
    A m nächsten Vormittag bekam ich in der Schule eine SMS von Violette, die wissen wollte, ob ich Lust hatte, mit ihr am Abend ins Kino zu gehen.
    Ich schrieb zurück: Zu viele Hausaufgaben , tut mir leid!
    Wie wär's dann mit ’nem Kaffee?
    Perfekt! Nach der Schule. Sainte-Lucie.
    Prima, bis später.
    Ich musste lächeln, weil sich ihr Englisch so merklich verändert hatte. Sie benutzte tatsächlich Abkürzungen! Schon nach diesen wenigen Wochen klang sie wie ein zeitgemäßer Teenie und nicht mehr wie eine verwitwete Herzogin. Und wenn ich sie mit den anderen Französisch sprechen hörte, dann tauchten hin und wieder sogar umgangssprachliche Ausdrücke auf.
    Sie erwartete mich schon, als ich im Café ankam, und begrüßte mich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Sie stand auf, küsste mich auf die Wangen und platzte heraus: »Kate! Du warst Samstagnacht wirklich fantastisch!«
    Wir setzten uns und es sprudelte einfach so aus ihr heraus, wenngleich sie ihre Stimme senkte, damit die Gäste am Nebentisch sie nicht verstehen konnten. »Ich kann immer noch nicht glauben, wie gut du nach einer so kurzen Trainingsphase kämpfen kannst. Wir haben Gaspard davon erzählt und obwohl er darauf bestand, dass dies nicht sein Verdienst sei, war er doch sichtlich stolz.«
    »Du hast dich aber auch nicht schlecht geschlagen«, sagte ich und meinte es auch so. »Der Typ war viel größer als du und hatte trotzdem keine Chance.«
    Sie tat dieses Kompliment mit einer Handbewegung ab, als wäre das nicht der Rede wert. »Und sag, wie fandest du Vincent? Ach, Moment – monsieur ?« Sie winkte einen vorbeieilenden Kellner heran, damit ich einen warmen Kakao bestellen konnte. Dann lehnte ich mich wieder zu ihr.
    »Ganz unbeschreiblich. Aber ich bin froh, dass er rechtzeitig bei mir war. Keine Ahnung, wie lange ich mich sonst noch gegen den Numa hätte wehren können.«
    Violette zögerte und beobachtete mich genau.
    »Was ist?«, fragte ich. Ihre Miene pflanzte einen Samen der Sorge in meine Brust.
    »Es wirkte irgendwie nicht so, als hätte er hundert Prozent geben können, fand ich«, antwortete sie leise. »Und dann diese Ringe unter seinen Augen. Noch dazu sieht er sehr blass aus. Technisch hat er ja absolut makellos gekämpft, aber er sah dabei so kraftlos aus.«
    Ich starrte vor mir auf den Tisch. »Du hast recht, Violette. Ich habe ihn zwar bisher immer nur im Training gesehen, aber ich bin mir fast sicher, dass er die vier Typen ganz allein hätte ausschalten können, wenn er nicht ...« Ich verstummte.
    »... in so schlechter Verfassung wäre«, beendete Violette den Satz für mich und legte ihre Hand auf meine. »Das Gleiche habe ich auch gedacht. Aber ich wollte erst deine Meinung hören, weil ich ja nicht weiß, wie er sonst kämpft. Mir war nicht bewusst, wie sehr sein Experiment ihn beeinflusst, bis ich ihn im Gefecht sah. Aber kein Grund zur Sorge, das wird schon

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