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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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wieder«, sagte sie sanft. »Und wie steht es mit deinem Projekt? Gibt’s was Neues?«
    »Null Komma nichts«, antwortete ich.
    Sie verzog mitleidig den Mund und seufzte. »Mach dir keine Sorgen, Kate. Ich bin mir sicher, dass es bald wieder besser wird.« Dabei strafte ihre Miene sie Lügen. Sie wirkte ungewiss. Besorgt. Beunruhigt, vielleicht. Aber »sicher« konnte ich in ihren Gesichtszügen nicht erkennen.
    Genau in diesem Moment kam mein Kakao. Ich nippte vorsichtig an dem dampfenden Schaum, inhalierte dabei das satte Kakaoaroma und fragte mich zum hundertsten Mal, wieso Vincent nicht einfach ein normaler Junge sein konnte.
    »Guten Morgen, mon ange! Wo ist dein Kleid?«, rief Vincent herüber. Er lehnte wie immer an dem Tor zum Park. Statt normaler Jeans und Jacke trug er einen Anzug und Krawatte. Und er sah zum Anbeißen aus! Ich stand in meinen Trainingsklamotten vor ihm und beäugte ihn von Kopf bis Fuß.
    »Wir sind doch zum Training verabredet. Was soll denn der feine Aufzug, Herr Börsenmakler?«
    »Hast du meine SMS nicht bekommen?«
    Ich kramte mein Handy hervor und las seine SMS, die er um drei Uhr nachts geschickt hatte: Mach dich morgen schick. Du begleitest mich zu einer Feier.
    »Feier?«, fragte ich erstaunt. »Was für eine Feier findet denn an einem Samstagmorgen statt?«
    »Eine Hochzeit«, war Vincents schlichte Antwort.
    »Ich soll dich auf eine Hochzeit begleiten?«, fragte ich fassungslos. »Und wieso erfahre ich das erst am Tag der Feier?«
    »Weil ich mir nicht sicher war, ob ich dich mitnehmen möchte.«
    Mein Gesichtsausdruck muss Bände gesprochen haben, denn er schob schnell seine Erklärung hinterher. »So hab ich das doch nicht gemeint. Ich meinte, dass ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich will, dass du bei einer Revenanthochzeit dabei bist. Wir beide müssen gerade schon mit so viel anderem fertig werden, dass ich befürchtet habe, so würden noch mehr ... unlösbare Fragen dazukommen.«
    »Was hat deine Meinung geändert?«, fragte ich, noch nicht wirklich versöhnt.
    »Der Gedanke, dass Vermeidung auch keine Lösung ist. Ich habe dir versprochen, dir nichts zu verheimlichen, was du wissen solltest. Und du lässt mich dieses Versprechen ja schon vorübergehend brechen ...« Er hielt einen Moment inne. »Eine Hochzeit grenzt vielleicht an Informationsüberflutung«, fuhr er fort und fummelte unbeholfen an seiner Krawatte, »aber danach weißt du definitiv mehr über die Welt, in die du dich begeben hast. Das bin ich dir schuldig.«
    Einen Moment lang stand ich überwältigt vor ihm. Dann gab ich ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich werde schon klarkommen, Vincent. Danke für ...« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Einfach danke.«
    »Wie lange brauchst du, um dich fertig zu machen?«, fragte er und strich mir dabei liebevoll ein paar Haare aus dem Gesicht. »Du siehst ohnehin schon perfekt aus.«
    Ich wurde rot. Seit ich wusste, dass es nur ein paar Straßen weiter ein Haus voller Revenants gab, deren Bewohner jederzeit hinter einer Straßenecke auftauchen konnten, verließ ich das Haus nie, ohne einigermaßen zurechtgemacht zu sein. Aber das wollte ich natürlich nicht zugeben. »Gibst du mir zehn Minuten? Ich muss nur ein Kleid und passende Schuhe finden, dann bin ich gleich zurück.«
    »Gut«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. »Wir haben noch viel Zeit.«
    Eine Stunde später betraten wir die Unterkapelle der Sainte-Chapelle, einer fast achthundert Jahre alten königlichen Palastkapelle, die auf einer Insel namens île de la Cité nur wenige Blocks von Notre-Dame entfernt lag.
    »Hier findet die Hochzeit statt?« Ich rang nach Luft. Vincent nahm meine Hand und führte mich die winzige Wendeltreppe hinauf ins obere Kirchenschiff. Dort angekommen, umfing mich sofort das gleiche berauschende Gefühl – ein sinnlicher Schwindel –, das ich bei jedem meiner Besuche als Touristin hier gespürt hatte. Dieser Ort war einfach auf so überraschende Weise überwältigend.
    Der Raum war wesentlich höher als lang, die Verzierungen an der Decke waren so weit entfernt, dass man sie fast nicht erkennen konnte. Dabei war es nicht mal die imposante Höhe dieses Gebäudes, die mir die Luft nahm, sondern der Aufbau der Wände. Fünfzehn Buntglasfenster, jedes davon zwölf Meter hoch, umschlossen nahtlos aneinandergereiht den gesamten Innenraum. Im Prinzip bestand der Raum aus nichts als Glas, das von skelettartigen Steinsäulen zusammengehalten wurde. Das hereinfallende Licht

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