Vom Nehmen Und Genommenwerden
eigenen Zentrum und doch im Herzen offen zu bleiben.
Es besteht jedoch ein groÃer Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid, und es ist klug, hier klar zu unterscheiden. Wenn wir mitleiden, verlieren wir unser Zentrum und somit unsere Energie. Wir versetzen uns so stark in den anderen, dass wir unsere eigene Identität verlieren und das Leid des anderen wie unser eigenes empfinden. Dadurch verschmelzen wir auf eine negative Art, denn wir verlieren den Respekt vor uns selbst und vor dem anderen. Wir trauen unserem Partner gar nicht zu, seinen Schmerz selbst tragen zu können.
Mitfühlen hingegen macht uns authentisch. Wir zeigen uns verletzlich und stark zugleich, wir lassen uns berühren und öffnen uns: für uns selbst, für die anderen, für die Welt.
Diese Fähigkeit zum Mitfühlen verdanken wir den sogenannten Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen im menschlichen Gehirn sind Resonanzzellen, die es uns ermöglichen, beobachtete Situationen auch gleichzeitig mitzuempfinden. Ohne sie gäbe es keine Intuition und kein Mitgefühl. Kinder lernen die Fähigkeit der Einfühlung zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Wenn diese Veranlagung nicht gefördert wird, verkümmert die Ausbildung dieser Neuronen. Ihnen ist es egal, ob wir etwas nur unbeteiligt beobachten, uns etwas nur vorstellen oder wirklich involviert sind â es werden immer die gleichen Prozesse durch sie ausgelöst. Die Filmwelt macht sich diese Tatsache zunutze. Da Spiegelneuronen den Betrachter mitfühlen lassen, was einem Schauspieler auf der Leinwand geschieht, weinen wir bei den herzzerreiÃenden Szenen mit. In Partnerschaften kann sich das in der Tendenz äuÃern, emotional völlig im anderen aufzugehen. Wenn wir uns diesen Vorgang nicht bewusst machen, können wir nicht unterscheiden, welches unsere Gefühle und welches diejenigen des Partners sind. Wir verlieren unsere eigene Mitte und erleiden die schmerzlichen Gefühle des anderen mit, anstatt zentriert mitzufühlen.
Zudem nehmen wir eine Situation nicht einfach nur im AuÃen wahr. Wenn wir die Welt wahrnehmen, blicken wir stets durch die Brille unserer gesammelten Lebenserfahrungen. Ohne Unterlass und in Bruchteilen von Sekunden bewerten wir alles, was uns begegnet, entscheiden, ob uns etwas sympathisch, unsympathisch oder gleichgültig ist, ob wir es gut, schlecht oder belanglos finden. All dies sind nur Spiegelungen unseres Ego, des Gegenspielers des Mitgefühls. Die Folgen sind bedenklich: Wir interpretieren jede ÃuÃerung unseres Partners nach diesen verborgenen Bewertungskriterien. Wenn wir hingegen mitfühlen, akzeptieren wir, dass der Partner müde und erschöpft ist, und verstehen seine Aussage: »Ich habe im Moment keine Lust, ich will allein sein«. Wir wenden uns nicht beleidigt ab, sondern bringen ihm eine Tasse Tee und wenden uns dann wieder unseren eigenen Interessen zu. Wenn wir jedoch mitleiden, werden wir selbst lustlos, erschöpft oder aggressiv. Wir interpretieren seine Aussage und hören Botschaften wie: »Er liebt mich nicht, weil ich für ihn nicht erotisch bin« oder »Sie weist mich zurück, weil ich ein Versager bin.«
Soll Mitgefühl die Basis unserer Partnerschaft sein, gilt es, in unseren Emotionen nichts anderes zu sehen als Spiegelungen unserer Innenwelt. Niemand kann etwas in uns auslösen, was nicht bereits in uns angelegt ist. Verstehen wir dies, gibt es keinen Schuldigen mehr, keine bösen Absichten des anderen. Der Partner ist nicht unser Feind, sondern der klarste Spiegel, den wir uns wünschen können. Er ist der beste Gefährte auf dem Weg zum herzlichen Lieben. Weil wir Vertrauen in uns selbst haben, lassen wir uns berühren, öffnen uns und bleiben verwundbar. Dann tritt an die Stelle der Tendenz unseres Ego, dem anderen Schuld zu geben, ihn abzuwerten und zu verurteilen, reines Mitgefühl.
Wahre Intimität leben
Loslassen um der Liebe willen
Wahre Intimität lässt das Herz aufblühen. Denn sie geht über die sexuelle Intimität hinaus und umfasst auch die körperliche, seelische, mentale sowie soziale Ebene. Wir werden durch sie in unserem ganzen Wesen berührt.
Die meisten Menschen verspüren den innigen Wunsch nach Nähe und verstehen darunter ein völliges Verschmelzen mit dem Geliebten. Unglücklicherweise sind wir aber alle auf diesem Weg schon verletzt worden. Daraufhin haben viele von uns
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