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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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nebeneinanderstehen.
    Differenzierung – Ich und Du zugleich
    Um wahre Intimität zu erreichen, benötigen wir nicht nur die Fähigkeit, uns selbst zu regulieren, sondern auch die Fähigkeit zu differenzieren. Damit ist die Kunst gemeint, zwei widersprüchliche Tendenzen miteinander zu verbinden: Ein autonomes Selbst zu entwickeln und gleichzeitig in einer tiefen Beziehung zum Partner zu bleiben. Erst dann ist es möglich, sowohl Nähe als auch Distanz zu leben und sich für das eine oder das andere bewusst zu entscheiden.
    Die größte Herausforderung besteht darin, sich nicht über den Partner oder die Partnerschaft zu definieren. Wir könnten uns fragen: Wer bin ich ohne Partner? Welchen Selbstwert habe ich? Auch hier gilt es, den Partner weder zu dämonisieren noch zu idealisieren.
    In dieser Auseinandersetzung werden wir wieder einmal auf uns selbst zurückgeworfen, und das kann wieder Ängste auslösen, die wir erkennen und denen wir uns stellen müssen. Genauso wichtig ist es aber auch, sich nicht durch die Ängste des Partners manipulieren zu lassen.
    Den meisten Konflikten in Beziehungen liegt die scheinbare Unvereinbarkeit zwischen Nähe und Distanz zugrunde. Das romantische Ideal mit seiner Verschmelzungsfantasie zweier sich liebender Körper, die ein einziger Geist zu lenken scheint, ist tief in uns verankert. Daher nehmen viele Menschen fälschlicherweise an, Differenzierung und tiefe Verbundenheit seien Gegensätze.
    Wenn wir uns zu wenig vom anderen differenzieren, speisen wir unsere Identität nur noch über ein Selbstbild, das der andere uns spiegelt. Wir sind nur jemand durch unser Gegenüber. Problematisch daran ist, dass wir so ständig auf Kontakt und Bestätigung durch den anderen angewiesen sind. Selbst wenn uns unser Partner ablehnt, fühlen wir uns noch wohler, als wenn wir auf uns selbst gestellt wären, denn wir haben schlicht und ergreifend keine von ihm unabhängige, eigene Identität.
    Eheliche Gewalt bekommt meist dort Raum, wo zwei wenig differenzierte Menschen eine starke emotionale Verschmelzung eingehen. Das Lösen der gegenseitigen Umklammerung ist dann nur über starke physische Kräfte möglich.
    Differenzierung geschieht aber nicht durch Abbruch und Verweigerung, sondern dadurch, dass wir im direkten Kontakt mit dem anderen bleiben. Sie darf aber auch nicht mit Individualismus oder totaler Unabhängigkeit verwechselt werden. Nur wenn wir in uns selbst ruhen und offen bleiben, sind wir fähig zu Hingabe, Mitgefühl und wahrer Intimität. So fördert Differenzierung immer Selbstbestimmtheit und Wechselseitigkeit, aber nicht Egoismus.
    Symptome wie sexuelle Langeweile, Unlust, Mangel an echter Intimität sind ein Indiz dafür, dass wir Vermeidungsstrategien anwenden. Erst wenn Intimität ohne Vertrauensbeweise und Bestätigung des Partners gelebt wird, ist eine Liebesbeziehung belastbar und lebendig.
    Transformation – Von Emotionen zu Gefühlen
    Gerade für Paare ist die Unterscheidung zwischen Emotion und Gefühl von großer Bedeutung. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden: Emotionen wurzeln in der Vergangenheit, Gefühle hingegen gehören zur Gegenwart. Emotionen haben eine zerstörerische Kraft, weil sie unbewusst sind und auf Projektionen fußen. Im Gegensatz dazu sind Gefühle dem Bewusstsein zugänglich, sie sind ruhig und klar und kennzeichnen eine reife Persönlichkeit. Gefühle sind ein authentischer Ausdruck dessen, was jetzt ist.
    Diese bahnbrechende Unterscheidung ist relativ neu und in erster Linie dem in den USA lebenden Neurologen- und Neuropsychologenpaar Antonio und Hanna Damasio zu verdanken.
    Was also sind Emotionen genau? Emotionen stammen aus dem limbischen System und sind Teil des Überlebensprogramms. Sie werden automatisch mit bereits Erlebtem verglichen und bewertet. Man könnte sagen, dass wir Sklaven unserer Emotionen sind, weil diese stets an vergangene Erlebnisse gekettet sind. Solange uns Emotionen regieren, können wir nicht im gegenwärtigen Augenblick sein. Eine unserer Klientinnen beispielsweise geriet jedes Mal in Rage, wenn ihr Mann auf der Straße einer anderen Frau zulächelte. In einem Paar-Coaching untersuchten wir, warum sie so eifersüchtig reagierte. Sie erzählte von vielen Situationen aus ihrer Kindheit. Allen gemeinsam waren Gefühle von Verunsicherung, Verlustangst und einer

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