Vom Nehmen Und Genommenwerden
gesehen, dass Veränderungen und Zeiten des Umbruchs stets Gefühle von Angst und Sehnsucht mit sich bringen und nicht selten das Potenzial von Verletzungen bergen. Wir neigen dann möglicherweise dazu, diese Unsicherheit zu verdrängen, und projizieren das Negative lieber auf unseren Partner. Die Folge davon können Streit, Machtkämpfe, Krisen oder sogar die Trennung sein. Paare, die in eine solche Dynamik geraten sind, sollten das Beziehungswesen gut im Auge behalten, denn dieses verrät uns sehr schnell, wenn die Beziehung in eine Sackgasse zu geraten droht.
Phase 1: Verlieben
Wir verlieben uns aufgrund der Gesetze »Gegensätze ziehen sich an« oder »Gleich und Gleich gesellt sich gern«. Sowohl die erste Begegnung als auch die wechselseitige Verführung beruhen auf jahrtausendealten Abläufen, wie sie auch im Tierreich zu finden sind. Wenn das Werben um Lust und Liebe beginnt, spielen neben unbewussten Kriterien vor allem Duftstoffe, Aussehen, Statussymbole, Macht, Schönheit und Intelligenz eine Rolle. Auf den Punkt gebracht: Männer suchen auch heute noch Sexobjekte und Frauen Erfolgsobjekte. Der Mann sucht eine Frau, die seinen Samen zum Leben bringt, die Frau einen Mann, der sie und die gemeinsamen Kinder ernährt. Das hört sich höchst unromantisch an. Und doch ist es der ausschlaggebende, aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte immer noch aktive Aspekt bei der Partnerwahl. Und vielleicht gerade weil es so ernüchternd ist, gibt es diesen unglaublichen Hormon-Aufruhr, der im Gegenzug für Romantik pur sorgt: Schmetterlinge fliegen im Bauch, Männer imponieren mit Balzgehabe, Frauen zieren sich, das Feuer der Leidenschaft brennt lichterloh, Sex ist atemberaubend, Zeit und Raum verändern sich, wir idealisieren, wir projizieren. Kurz gesagt, es ist eine verrückte Zeit, und dank der rosaroten Brille sehen wir nur das am Partner, was wir sehen wollen. Alles andere wird ausgeblendet â noch!
Nach dieser Phase sehnen sich die meisten Paare später zurück. Abgesehen von der Leidenschaft birgt sie auch ein groÃes Geschenk: In ihr offenbart sich nicht nur das Potenzial der Individuen, sondern auch das Potenzial des Paares als Ganzes. Wenn es später schwierig wird, können wir uns an dieser Zeit des Verliebtseins immer wieder orientieren, in der wir den Partner bedingungslos angenommen haben und seine Einzigartigkeit erkennen konnten. Diese Erinnerung kann später so manches Mal zu einer Quelle von Glück und Zufriedenheit werden. Zum Glück können wir uns immer wieder in denselben Partner verlieben. Und doch ist die erste Phase der Verliebtheit innerhalb einer Beziehung einmalig.
In Liebesfilmen folgt an dieser Stelle der Abspann, doch genau hier ist eigentlich der Punkt, an dem wir Verliebtheit in Liebe verwandeln können.
Phase 2: Symbiose
Die Phase der Symbiose gehört eigentlich zum Verliebtsein dazu. Das Verlieben ist so überwältigend, dass dabei das Gefühl von Ich und Du zeitweilig verloren geht zugunsten eines umfassenderen Wir-Gefühls. Verliebte fühlen sich eins, und in gewisser Weise sind sie es auch. Wie schon eine unbekannte Nonne im 13. Jahrhundert schrieb: »Dû bist mîn, ich bin dîn â¦Â verlorn ist das sluzzelîn.« Wir verschmelzen mit dem Körper des Geliebten, aber auch mit seinem Denken, seinen Träumen, seinen Wünschen und Gefühlen. Wir betonen das Gemeinsame, und alles, was als trennend wahrgenommen werden könnte, wird als Bedrohung verstanden und auf die Umwelt projiziert. Die Phase der Symbiose ist kapriziös, unbeständig und unberechenbar. Neurowissenschaftlichen Studien zufolge hält sie zwischen 12 und 18 Monaten an. Durch die Hormone Vasopressin und Oxytozin, die bei sexueller Reizung und beim Orgasmus ausgeschüttet werden, wird bindungstypisches Verhalten gefördert. An die Stelle von starkem sexuellem Reiz tritt langsam ein Gefühl von Enge und Verschmelzung. Früher oder später aber taucht dann die Frage auf: Wer bin ich eigentlich â ohne dich?
Phase 3: Komm â Geh
Irgendwann wird es in der Zeit des Verschmelzens einem der Partner zu eng. Die positiven Gefühle von Einssein und Heimkommen springen über in ein Gefühl, sich zu verlieren und aufzulösen. Die Angst vor Ãberflutung steht der Angst vor dem Verlassenwerden gegenüber. Wenn einer der beiden Partner aus der Symbiose ausbricht,
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