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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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hingegen ist der Meinung, dass er sich zu wenig um sie kümmert. Sie fühlt sich nicht gesehen, wertgeschätzt und schon gar nicht mehr geliebt. Ihr Selbstwert ist am Boden. Mit der Zeit hat sie richtige Hassgefühle auf die Bürokollegin ihres Mannes aufgebaut, weil ihr diese vermeintlich oder vielleicht auch tatsächlich etwas wegnimmt.
    Männer reagieren mit Eifersucht, wenn die Partnerin sexuell ausbricht. Ein Paar in einer unserer Gruppen lebt eine offene Partnerschaft. Beide haben Außenbeziehungen, was auch in ihrem Freundeskreis bekannt ist. Sie haben klare Absprachen, wie zum Beispiel, Kondome zu benutzen und einander von den Erfahrungen zu erzählen. Aber – sie geben der eigenen Partnerschaft den höchsten Stellenwert. Die Frau blüht durch die Außenkontakte sichtbar auf. Sie fühlt sich erotisch und begehrt, was ihren Selbstwert steigert. Der Mann hingegen leidet immer wieder unter starken Eifersuchtsattacken, wenn seine Frau begeistert von einem One-Night-Stand berichtet. Sein Leidensdruck entsteht, weil ihn immer wieder uneingestandene Ängste einholen, dass seine Frau einen besseren Liebhaber als ihn finden könnte und er ihr nicht mehr genügte. Diese Befürchtungen kann er aber nicht einmal sich selbst gegenüber eingestehen. Er versucht, selbstsicher zu wirken, seine Eifersuchtsgefühle zu negieren und zu verstecken. Beide Beispiele zeigen auf, dass es kein richtig und falsch gibt. Die einzige »Lösung« ist, sich seine Gefühle einzugestehen.
    Insgesamt ist das Thema hochaktuell, weil der Eifersucht heute keine wirtschaftlichen und sozialen Grenzen mehr gesetzt sind. Während früher die Ehe als heilige Institution galt und Seitensprünge unter den Tisch gekehrt und totgeschwiegen wurden, entfalten sie heute ihre volle Sprengkraft. Trennung und Scheidung haben den Status des Außergewöhnlichen verloren. Eifersucht kann in der Folge auch nicht mehr das sein, was sie früher war: eine Emotion, die Partner ermuntert, den Wert des anderen neu zu sehen und sich selbst wieder mehr um die Pflege der Beziehung zu kümmern.
    Gefühle von Eifersucht einfach so zu überwinden ist schier unmöglich, und der Realität des Seitensprungs zu entgehen ist statistisch gesehen nur wenigen vergönnt. So gehen die meisten Verheirateten mindestens einmal während ihrer Ehe fremd. Bereits eine Untersuchung in den 40er-Jahren zeigte, dass eines von zehn Kindern einem Seitensprung entstammt. Diese Zahl hat sich in den letzten 60 Jahren sehr wahrscheinlich noch erhöht.
    Das Thema Seitensprung war und ist stark von einer chauvinistischen Doppelmoral geprägt. Im männerdominierten Privatrecht der alten Germanen durfte der betrogene Ehemann seine Frau töten, ebenso war es in Texas bis zum Jahr 1974 rechtlich nicht strafbar, dass ein Mann seine Frau und deren Geliebten umbrachte, wenn er sie in flagranti erwischte. In der Literatur ist es praktisch immer die Frau, die Ehebrecherin, die das gefährliche Dreiecksverhältnis initiiert. Napoleon Bonaparte regelte im Code civil den Seitensprung (allerdings nur den männlichen) so: Der außereheliche Verkehr des Mannes verletzt die ehelichen Pflichten nicht, solange der Mann seine Konkubine nicht in die eheliche Wohnung aufnimmt.
    Möglicherweise steuert Männer der genetische Auftrag, ihr Erbgut so vielversprechend wie möglich zu verteilen, weswegen sie schon rein biologisch auf Seitensprung getrimmt sind. Hingegen suchen Frauen für die Aufzucht ihrer Kinder einen verlässlichen Vater und setzen deshalb den Seitensprung eher als taktisches Mittel ein. Rechnerisch müsste der Seitensprung zwischen beiden Geschlechtern ausgewogen sein, da es dazu immer eine Frau und einen Mann braucht. Wobei Männer damit prahlen, während die Frauen ihn eher geheim halten.
    Der Beweggrund für einen Seitensprung liegt heute vor allem darin, dass die idealisierten Vorstellungen vom Partner früher oder später verblassen. Ernüchterung stellt sich ein, Langeweile, Missverständnisse und sexuelle Probleme nehmen zu. Kurz: Die Energie bleibt irgendwo zwischen Bauch und Herz stecken, und man lädt sich lieber mit neuen, aufregenden Emotionen auf, als sich mit den eigentlichen Themen auseinanderzusetzen.
    Der Seitensprung in Form von One-Night-Stands und Affären ist zwar die häufigste Form von Untreue, doch es gibt noch andere, die kaum als solche anerkannt werden,

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