Vom Regen in die Traufe
organisieren konnte.
Mit Fortschreiten des Picknicks lockerte sich die Stimmung, und so hielt Hermanni den Zeitpunkt f ü r gekommen, wieder mal eine Geschichte vom Schmucken Jussi zu erz ä hlen. Jussi hatte sich in der Endphase des Krieges am Frontabschnitt von Kiestinki verdr ü ckt und in die Tannenzapfengarde irgendwo hinter Salla und Savukoski gefl ü chtet. Er hatte den Begriff von der Tannenzapfengarde w ö rtlich genommen. Im letzten Krieg s jahr hatte er zw ö lftausend Kilo Kiefernzapfen, zweiundzwanzi g tausend Kilo Tannenzapfen und sogar tausend Kilo Birkenza p fen gesammelt, wobei gut zweihundert Kilo der Letzteren von Kr ü ppelbirken stammten. Dann, als der Krieg zu Ende war und sich die Waldgardisten wieder unter Me n schen wagten, tauchte der Schmucke Jussi im n ä chsten Dorf auf und erkundigte sich, wer ihm zwei, drei Pferde und einen Schlitten leihen k ö nnte. So holte er denn seine Beute aus dem Wald und verfrachtete sie mit dem Zug zur Sammelstelle der Forstverwaltung in Keuruu, von wo ihm alsbald eine h ü bsche Summe Geld ü berwiesen wurde.
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Anfang August reisten die M ä nner nach London, denn He r manni hatte inzwischen seinen Pass erhalten, und die Ma ß a n z ü ge waren fertig. Sie waren anprobiert und bezahlt. Ragnar besorgte f ü r Hermanni vierzig Schachteln gr ü ner North State und packte ihrer beider Koffer.
Als sie sich in einem kleinen Hotel in einer Nebenstra ß e der Sloane Street einquartiert hatten, gingen sie zum Lunch aus und besuchten anschlie ß end das Kriegsmuseum, um sich anzus e hen, wie die Briten ihr eigenes Vorgehen im Zweiten Weltkrieg darstellten. Hinsichtlich der Guerillataktik war der Besuch nicht ergiebig, denn auf diesem Gebiet waren die Engl ä nder nicht gerade fortschrittlich. Hermanni erinnerte sich, dass die Mu r mansker Legion der Briten Anfang des Jahrhunderts etliche gefl ü chtete finnische Rotgardisten in ihren Reihen aufgeno m men hatte, weil sie ansonsten mit den Bedingungen dort oben im Norden nicht klargekommen w ä ren. Am Ende zeigte sich, dass jene Intervention f ü r den Verlauf der Geschichte keinerlei Bedeutung gehabt hatte.
Am n ä chsten Tag fuhren sie in die Provinz, nach Hampsh i re, wo sie in einem Dorf nahe New Alresford Station machten. Dort gab es ein kleines Hotel mit nur zwanzig Zimmern, das Ragnar aus seiner Jugendzeit kannte. In ebendiesem Hotel hatte er n ä mlich bald nach dem Krieg zu Beginn der F ü nfz i gerjahre gewohnt, als sein Vater ihn zur Vervollst ä ndigung seiner Sprachkenntnisse nach England geschickt hatte. Das Geb ä ude war zweist ö ckig, verputzt und gelb angestrichen. Es lag fast g ä nzlich hinter gro ß en Ahornb ä umen versteckt. Be i derseits des Haupteingangs gab es hohe S ä ulen, und eine breite Treppe f ü hrte auf einen Kiesweg hinunter. Hinter dem Haus befand sich ein Garten mit einem k ü nstlichen Teich und einem Springbrunnen. Im Teich paddelten f ü nf Enten.
Man hielt auf Traditionen, und obwohl das Hotel bereits ein wenig heruntergekommen war, hatte es doch einen gewissen Stil. Hermanni fand Gefallen an dem Ort, zumal er seine Sprachstudien in unmittelbarer Nachbarschaft betreiben kon n te, in einer privaten Sprachschule, in der auch Ragnar in den F ü nfzigerjahren Sch ü ler gewesen war. Es handelte sich um ein Einfamilienhaus, das ein wenig gr öß er als ü blich war, es war im vorigen Jahrhundert vermutlich urspr ü nglich als Villa erbaut worden. Auch dieses Haus hatte einen Garten, und es war in der gleichen Farbe gestrichen wie das Hotel, in dem die Sch ü ler der Sprachschule wohnten. Es waren Gesch ä ftsleute aus ve r schiedenen L ä ndern, auch zwei franz ö sische Pfarrer und ein russischer General waren darunter. Letzterer war der Typ des vierschr ö tigen stalinistischen Offiziers, den man sich gut dabei vorstellen konnte, wie er in einer s ü drussischen Garnisonsstadt die Parade abnahm. Er erz ä hlte, dass er im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg seine Milit ä r laufbahn aufgegeben hatte und nun beabsichtigte, in Westeuropa Gesch ä fte zu m a chen. Anzubieten hatte er Panzerwagen und Wattejacken. Auch U-Boote konnte er zu g ü nstigen Preisen aus Sewastopol, Wl a diwostok oder Murmansk beso r gen, ganz wie der K ä ufer es w ü nschte. Kernwaffen verkaufte er nicht, denn solche Aktivit ä ten hielt er f ü r unmoralisch. Der General sprach ü berraschend offen ü ber seine Vorhaben. Hermanni und Ragnar vermuteten, dass er ein Spion oder einfach
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