Vom Regen in die Traufe
nur ein Schwindler war.
G ä nzlich unbeleckt ging Hermanni nicht in den Englischu n terricht. Er hatte nicht nur einst ein Fernstudium absolviert und an der christlichen Volksbildungsanstalt von Nivala an entspr e chenden praktischen Ü bungen teilgenommen, sondern er hatte auch hin und wieder in den Take-It-Easy -B ü chern gebl ä ttert. Trotzdem war er sehr aufgeregt, als er zusammen mit Ragnar die Sprachschule betrat, wo er als finnischer K ü ns t ler und Holzfachmann vorgestellt wurde, der seine eingerosteten Sprachkenntnisse ein wenig auffrischen wollte.
Im Haus wohnte eine ganz normale Familie. Vater und Mu t ter in mittleren Jahren, zwei schulpflichtige Kinder sowie die Gro ß eltern, die Ragnar noch aus fr ü heren Zeiten kannte. Dann gab es noch zwei Lehrer, eine Frau und einen Mann. Eigentliche Lektionen wurden nicht abgehalten, der Unterricht erfolgte durch Gespr ä che. Es wurde ausschlie ß lich Englisch gesprochen, und anfangs verstand Hermanni nicht viel von den Unterha l tungen. Mit dem Fr ü hst ü ck ging es los. Lehrer und Sch ü ler bedienten abwechselnd. Das Essen wurde im Speisesaal serviert, an sonnigen Tagen konnte es auch auf der zum Garten hin gelegenen Terrasse eingenommen werden. Der Lunch wurde im Haus verzehrt, und dabei wurde ü ber das Essen und das Wetter gesprochen, wor ü ber auch sonst. Auch beim Abendessen war man noch beisammen und ü bte sich weiter in der Sprache. Zwischen den Mahlzeiten wurden die Sch ü ler, es waren nur zehn, in zwei, drei Gruppen eingeteilt und gingen dann zum Picknick in den nahen Park oder sogar zum Sonnenbaden an die Kanalk ü ste. Einmal machten alle zusammen eine Exkursion und fuhren durch den Tunnel nach Calais auf franz ö sischer Seite. Dort wurde dem russischen General seine kleine T a schenkamera gestohlen, mit der er die ganze Zeit eifrig geknipst hatte. Besonders bek ü mmerte ihn, dass der Film weg war. Also kaufte er eine neue Kamera samt Film, und die ganze Gesel l schaft musste sich mehrmals zu neuen Fotos aufstellen. Auf jeden Fall diente es der Wor t schatzerweiterung im Bereich Fotografie.
Zwei Wochen lang paukte Hermanni Englisch aus Leibe s kr ä ften und glaubte schon nicht mehr daran, dass er die Spr a che so lernen w ü rde wie die anderen Teilnehmer, aber dann geschah ein Wunder. Eines Morgens begann er ganz flie ß end zu reden. Er servierte seinen Mitsch ü lern R ü hrei und Schinken und stellte auf Englisch mit seinen eigenen Worten Betrachtu n gen ü ber das aktuelle Wetter an, ob es an diesem Tag Regen geben w ü rde oder worauf der windige Morgen wohl sonst schlie ß en lie ß e.
Hermanni Heiskari hatte Englisch gelernt! Der Wortschatz war noch bescheiden, aber der Sch ü ler besa ß jetzt den n ö tigen Eifer, ihn zu erweitern. Hermanni schrieb jeden Tag eine lange Liste englischer W ö rter und Redensarten sowie die Konjugat i on der unregelm äß igen Verben in sein Notizbuch. Er machte rasche Fortschritte, und nach einem Monat sprach er schon einigerma ß en flie ß end. Er sprach die Worte mit ausl ä nd i schem Akzent aus, aber Ragnar fand das unerheblich. Die Hauptsache war, dass Hermanni nicht Cockney, den Slang der Arbeiter und Stra ß enjungen, sondern richtiges, echtes Her r schaftsenglisch sprach.
Nach dem Abendessen wurden im Allgemeinen keine Sprachstudien mehr betrieben. Diese Freizeit verbrachte Ragnar Lundmark damit, Hermanni die Gesellschaftst ä nze beizubri n gen. Zun ä chst versuchte Hermanni sich dem zu entziehen, er behauptete, dass er den Tango so weit beher r sche, wie es f ü r die Bed ü rfnisse eines gew ö hnlichen Holzf ä llers n ö tig sei, aber Ragnar lie ß keine Ausfl ü chte gelten. Er hatte Lena Lundmark versprochen, dass sich Hermanni vor Ablauf eines Jahres zum perfekten Gentleman gemausert h ä tte.
Sie vereinbarten, dass Ragnar, au ß er als Lehrer, auch als D a me fungierte und dass Hermanni f ü hrte, allerdings nach den Anweisungen des zu F ü hrenden. Ragnar hatte einen CD-Player und ein paar Scheiben mit Tanzmusik gekauft, den Kurs vera n stalteten sie in seinem Zimmer. Sie rollten den Teppich auf und schoben ihn an die Wand, Ragnar legte den Tango La Cumpa r sita auf und knickste vor Hermanni, der leicht geniert mit ihm ü ber das Parkett des Hotelzimmers stampfte. Sie vollf ü hrten ein paar Schritte und Drehungen, bei denen Hermanni versuchte, seinen Butler im Rhythmus der bet ö renden Tangokl ä nge he r umzuschwenken. Doch dieser machte das nicht lange mit. Er
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