Vom Regen in die Traufe
Loch in der Decke. In den Hang waren Verti e fungen gegraben und mit Balken abgest ü tzt worden, darin hatten die Waldgardisten jahrelang wie die F ü chse in ihren H ö hlen gel e gen. Die Unterst ä nde waren so niedrig, dass man in ihnen fast kriechen musste. Bestenfalls einige wenige M ä n ner hatten darin Platz gehabt, insgesamt waren es vermutlich nur zehn, h ö ch s tens zwanzig Deserteure gewesen, die hier drau ß en gehaust hatten. Das Quartier war in seiner kargen D ü rftigkeit wirklich ersch ü tternd.
Schweigend kehrten die Besucher nach drau ß en an die fr i sche Luft zur ü ck und setzten sich auf den versandeten Rand des Sch ü tzengrabens. Hermanni z ü ndete sich eine Zigarette an und sog den Rauch tief in die Lungen. Dann sah er Ragnar bedeu t sam an. Der bat den Taxifahrer, weiter drau ß en nach einer Stelle zu suchen, an der sie ein Lagerfeuer entz ü nden und einen Lunch einnehmen k ö nnten. Der Mann machte sich mitsamt des Gep ä cks auf den Weg, um auf dem Kahlschlag Reisig zu sa m meln.
Hermanni und Ragnar unterhielten sich ü ber die harten B e dingungen eines Ö dmarkkrieges. Der Kampf der Arbeitsl o sen w ü rde unvermeidlich dazu f ü hren, dass sich die Aufst ä nd i schen in den W ä ldern verstecken m ü ssten. Deshalb war es gut, dass sie hergekommen waren und sich den Ort angesehen hatten, an dem jahrelang M ä nner gehaust hatten, die g ä nzlich auf milde Gaben der Dorfbewohner und auf Wildbret aus dem Wald angewiesen gewesen waren. Sie selbst wollten es im Hinblick auf den geplanten Aufstand besser machen und ein Handbuch herausgeben, das Instruktionen f ü r das Einrichten von Schut z r ä umen und befestigten Basen in den W ä ldern und S ü mpfen enthielt.
Es empfahl sich, den Volksaufstand im Januar zu beginnen. Zun ä chst w ü rde man sich warmlaufen mit Demonstrationen, passivem Widerstand und Sabotage der verschiedensten Gesel l schaftsfunktionen. Wenn dann der Aufstand im Fr ü h jahr voll entbrannt w ä re, w ü rde der Staat versuchen, ihn mithilfe der Armee niederzuschlagen, und die Guerillak ä mpfer m ü ssten in die W ä lder fl ü chten, um sich dem Zugriff durch das Milit ä r zu entziehen. Sofort nach der Schneeschmelze w ä ren die besten Bedingungen gegeben, zur Waldtaktik ü berzugehen, die K ä m p fer w ü rden sich in den Schutz der W ä lder zur ü ckziehen, so wie einst w ä hrend des gro ß en Unfriedens die Fl ü chtlinge in ihre Verstecke, wie die Bauernfreisch ä rler in den Ö dwald oder wie im letzten Krieg die elenden Waldgardisten in unbewohnte Moorgebiete.
Um daf ü r gewappnet zu sein, war es g ü nstig, bereits ein Jahr vorher die entsprechenden Flucht- und St ü tzpunkte auszuw ä h len und mit gen ü gend Waffen, Werkzeug und vor allem Prov i ant zu best ü cken. Bis zum Sommer sollte man damit fertig sein, nur so war man auf das Kommende besser vorb e reitet, als es jene Deserteure von Venej ä rvi gewesen waren.
Hermanni und Ragnar sch ä tzten, dass ihre Aufst ä ndischen weit mehr Sympathien in der ü brigen Bev ö lkerung genie ß en w ü rden als die Waldgardisten im letzten Krieg. Die Zivilbev ö l kerung w ü rde sie freiwillig verpflegen und sch ü tzen, ä hnlich wie sie es Anfang des Jahrhunderts mit den J ä gern gemacht hatte, die sich auf geheimem Wege nach Deutschland durchg e schlagen hatten. Arbeitslose lie ß en sich kaum als Feinde des Volkes betrachten, und ihr Aufstand w ü rde wahrscheinlich auf breites Verst ä ndnis sto ß en.
Wie dem auch sei, B ü rgerkriege waren von allen Kriegen die grausamsten. Beim geplanten Aufstand der Arbeitslosen ha n delte es sich um einen neuartigen Klassenkrieg, in dem die bisherigen politischen Ideologien ausgedient h ä tten. Die Zweiteilung des Volkes in Reiche und Gutsituierte einerseits und Arme und Benachteiligte andererseits war heute das Hauptproblem, das nach einer handfesten L ö sung verlangte. Falls die Massenarbeitslosigkeit immer weiter anhalten w ü rde, h ä tte das eine verheerende Wirkung auf die Lebenskraft und die Moral des Volkes. Hermanni erkl ä rte, dass laut seinen Berec h nungen allein wegen der Arbeitslosigkeit j ä hrlich Ta u sende Menschen in Finnland starben. Der Klassenkrieg wurde schon jetzt gef ü hrt, jeden Tag, auch wenn kein Mensch von Verlusten oder Frontlinien sprach.
Ragnar Lundmark holte den Laptop aus dem Rucksack, ö f f nete ihn und stellte ihn auf den Rand des Sch ü tzengrabens. Er w ä hlte das Tabellenkalkulationsprogramm und
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