Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
denn es ist eine Wahrheit, die niemand glauben, geschweige denn hören will.
»Erinnerst du dich an die Dinge, die du getan und gesagt hast?«
Ich zucke die Achseln. Es hat keinen Sinn, so weiterzumachen. Ein Blick auf seine selbstgefällige Miene verrät mir, dass er niemals auf meiner Seite sein wird, es nicht einmal in Erwägung ziehen würde.
»Du hattest sämtliche Symptome wie jemand, der unter Drogen steht – irgendwelche halluzinogenen Stoffe. Ich habe das schon öfter erlebt – immer bei Touristen.« In seinem Tonfall schwingt dieselbe Geringschätzung mit, die in seinen Augen aufblitzt. »Doch in deinem Fall haben die Blutproben nichts ergeben. Was zu meiner nächsten Frage führt. Hattest du solche Wahnvorstellungen schon öfter?«
Ich lasse den Blick von ihm zu Jennika wandern – ihr Gesicht ist voller Sorge, seines spiegelt morbide Neugier –, dann drehe ich den Kopf in die andere Richtung und betrachte lieber das blau gekachelte Badezimmer als die beiden. Es hat keinen Sinn, mich Leuten gegenüber zu verteidigen, die sich nicht umstimmen lassen wollen.
»Du hast von leuchtenden Gestalten geredet, die hinter dir her waren, von großen Krähen, die dich verspottet haben, und von unzähligen abgehackten, blutigen Köpfen, die den ganzen Platz gefüllt und zu dir gesprochen haben.«
Als ich einen lauten Seufzer höre, drehe ich mich um und sehe, wie Fatima das hamsa- Amulett, das sie an einer Halskette trägt, umfasst und mit gesenktem Kopf anfängt, leise und inbrünstig zu beten, bis ein strenges Wort des Arztes sie zum Schweigen bringt.
»Ich fürchte, diese Visionen müssen als Wahnvorstellungen ziemlich paranoider Natur klassifiziert werden.« Er wendet sich wieder an mich. »Und da ich nicht weiß, was diese Episode ausgelöst hat, weil weder Alkohol noch Drogen im Spiel waren, würde ich sagen, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn ein genetisch bedingtes chemisches Ungleichgewicht am Ende der Pubertät die ersten Symptome zeigt. Ist es richtig, dass Daire gerade sechzehn geworden ist?«
Jennika nickt und knabbert an ihrem lila lackierten Fingernagel herum.
»Entschuldigen Sie die Frage, aber gibt es Fälle von psychischen Erkrankungen in Ihrer Familie?«
Ich sehe, wie Jennikas Gesichtszüge sich anspannen und ihre Augen sich mit Tränen füllen, die sie kaum noch zurückhalten kann. »Wie bitte?«, stammelt sie. »Nein! Nein! Zumindest nicht dass ich wüsste … Da fällt mir nichts ein, zumindest nicht auf Anhieb …«
Ihr Blick wird vage, und sie schüttelt den Kopf – zwei sichere Anzeichen dafür, dass sie lügt, dass sie irgendeine wichtige Information nicht preisgeben will. Ein so schrecklicher Verdacht, dass sie ihn sich selbst nicht eingestehen und erst recht nicht gegenüber dem Arzt zur Sprache bringen mag, was mich umso neugieriger macht. Ich habe keine Ahnung, wen sie in Verdacht haben könnte.
Jennika ist ein Einzelkind und ans Alleinsein gewöhnt. Sie hat erst gemerkt, dass sie mit mir schwanger war, nachdem mein Dad gestorben war. Für ihre Eltern war die Schwangerschaft ihrer siebzehnjährigen Tochter, die sich eigentlich auf die Aufnahmeprüfung fürs College vorbereiten sollte, zuerst ein Schock, doch sie arrangierten sich mit der Situation und unterstützten Jennika, damit sie die Highschool zu Ende machen konnte, und passten auf mich auf, bis sie ihr Diplom als
Kosmetikerin in der Tasche hatte. Jennika hatte gerade ihren ersten Job als Visagistin bei einer Filmproduktion ergattert, als ihre Eltern auf dem Weg zu einem Kurzurlaub im Napa Valley bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen.
Nachdem sie das Haus und praktisch alles, was nicht in eine Reisetasche passte, verkauft hatte, machten Jennika und ich uns auf den Weg, zogen von einem Filmset zum anderen und wohnten in Ferienapartments oder bei Bekannten. Als ich schulpflichtig wurde, schrieb sie mich in der Internetschule ein und sorgte dafür, dass wir immer in Bewegung blieben und unser Herz nie an Dinge hängten, die uns hätten fehlen können, wenn wir sie verloren.
»Im Leben ist nichts von Dauer«, sagt sie gern und behauptet, dass die meisten Leute ihr Leben lang versuchen, sämtliche Anzeichen von Veränderung zu verdrängen, bis sie endlich merken, dass sie es nicht schaffen. Ihr Motto lautet, den Wandel zu akzeptieren und ihn willkommen zu heißen, bevor er einen hinterrücks überfällt.
Ich bin das einzige dauerhafte Anhängsel, das sie sich gestattet. Solange ich mich erinnern kann,
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