Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
sehe. Ich kneife die Lider zusammen, presse den Mund zu und werde dennoch überschwemmt von dicken Sandklumpen, die in meine Ohren eindringen, durch meine Lippen rieseln und mir zwischen den Zähnen knirschen.
Es ist entsetzlich.
Unerträglich.
Ich kann nicht mehr atmen, werde nicht mehr lange überleben.
Das Geräusch, wie sie vor mir mit Armen und Beinen wedeln, ist das Einzige, was mich durchhalten lässt und mich an meine Aufgabe erinnert, mir den Ansporn gibt weiterzumachen.
In meinen Ohren dröhnt ihr Geheule und Gejaule, aus quälend nächster Nähe und doch von so weit weg. Und auf einmal bin ich wieder draußen. Ich pralle unsanft auf den Boden auf, inmitten von untoten Richters.
Ich blinzele. Spucke. Springe auf die Beine und gehe auf den Großen los, entschlossen, ihn zu fassen und ihn in letzter Minute aufzuhalten. Doch Palomas Seele hat ihn gestärkt, und er ist viel zu schnell.
Die anderen verteilen sich – laufen im Kreis um ihn herum, um mich zu verwirren. Und gerade als ich allmählich Boden gewinne, teilen sie sich in mehrere kleine Gruppen auf, die in verschiedene Richtungen losziehen. Damit lassen sie mir keine andere Wahl, als die Mehrheit gehen zu lassen, um den einen zu fassen.
Ich versuche, nicht an all die Richters zu denken, die jetzt frei in der Unterwelt herumlaufen.
Ich versuche, nicht daran zu denken, wie ich Paloma im Stich gelassen habe – wie ich als Suchende in jeder denkbaren Hinsicht versagt habe.
Jetzt kann ich nur noch meinen Feind im Auge behalten und ihm hinterherjagen, während er auf ein dichtes Wäldchen zuhält, so dass die Geisttiere nur so fliehen. So wenig sind sie jegliche Unruhe gewohnt, geschweige denn das Eindringen des Bösen, dass sie sich verstecken, unsicher, was sie von der Sache halten sollen, während er sich weiter hastig durch die Büsche schlägt. Ich weiß, ich schaffe das nicht allein. Entweder tue ich jetzt etwas Entscheidendes, etwas, was ihn aufhält – oder ich muss mich in absehbarer Zeit geschlagen geben.
Ich rufe nach den Elementen.
Rufe nach Rabe.
Und nach meinen Ahnen.
Wenn das, was Paloma sagt, wahr ist – dass sie überall sind, ein Teil von allem sind –, dann werden sie mich auch hier finden.
Zuerst erscheint der Wind, wehend und wirbelnd, und lässt große Staubwolken aufwallen, die jegliche Sicht unterbinden. Und als die Erde zu beben beginnt und der Unhold ins Stolpern gerät, ist das genau die Hilfe, die ich gebraucht habe, um ihn umzuwerfen, ihn mit den Beinen in die Zange zu nehmen und sein Gesicht zu Boden zu pressen.
Siegesgewiss schreie ich und packe ihn noch fester – doch mein Triumph ist von kurzer Dauer, als mir klar wird, dass ich keine Ahnung habe, was als Nächstes geschehen wird.
Fünfzig
E r wehrt sich heftig, ringt darum, mich abzuschütteln, doch ich klammere mich mit aller Gewalt an seinen Rücken und lasse nicht los. Mit der einen Faust packe ich einen Klumpen schwarzer Haare, zerre seinen Kopf zurück und ramme ihm die freie Hand in den Mund. Ich bin unsicher, ob ich auf der richtigen Spur bin, aber ich weiß, dass ich die Kugel irgendwie aus ihm herauskriegen muss.
Da die Seele nun nicht mehr verloren ist, ist es Zeit, sie zurückzuholen – Zeit, sie ihm abzujagen, damit ich sie Paloma zurückgeben kann. Aber da ich keine Ahnung habe, wie ich das bewerkstelligen soll, brülle ich: »Gib sie her!« Ich schiebe die Finger an seiner Zunge vorbei und will gerade in seine Kehle greifen, als er so fest zubeißt, dass es mir beinahe die Haut zerfetzt.
Ich reiße die Hand heraus, schreie vor Schmerz, während ich sein Haar fester packe und sein Gesicht so unsanft in den Staub drücke, dass sich Teile der Maske lösen und in sein Fleisch bohren. Das wiederhole ich so oft, bis ich nicht mehr mitzählen kann.
Ich halte erst inne, als eine Stimme hinter mir ertönt. »Ich kann es dir zwar nicht übel nehmen, aber wir müssen ihn unbedingt am Leben lassen.«
Dace!
Er kniet sich neben mich und beantwortet die unausgesprochene Frage in meinem Blick. »Ich habe deinen Ruf gehört.
Pferd hat mich so schnell wie möglich zu dir gebracht. Rabe hat uns geführt.«
Er hat den Ruf gehört?
Zusammen mit dem Wind, der Erde und meinem Geisttier?
Vielleicht steckte doch mehr hinter dem Traum, als ich dachte – ein Grund, dass wir einander gefunden haben, ehe wir uns auch nur begegnet sind?
Vielleicht sind wir wirklich irgendwie verbunden?
Ich schaue rechts an ihm vorbei und sehe Rabe hoch auf einem
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