Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
sie sich vor den Mund presst, und hustet einen dicken Blutstrom hinein, den sie beim besten Willen nicht verbergen kann.
»Paloma – fehlt dir etwas?«, frage ich. Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist, aber ich weiß, dass Blut zu husten nie etwas Gutes verheißt.
»Mir geht’s gut, nieta . Glaub mir.« Sie wedelt meine Besorgnis davon. »Chay wird dich begleiten und für deine Sicherheit sorgen. Aber wenn ihr angekommen seid, wird auch er dich verlassen. Eine Visionssuche muss man allein erleben, und dein Proviant ist ziemlich mager. Aber glaub mir, du brauchst weitaus weniger zum Überleben, als du denkst. Greif nur im Notfall zu Kerze und Streichhölzern, denn sie müssen die ganze Zeit über reichen. Zu essen gibt es nichts. Das Fasten gehört dazu, so beginnst du dich zu reinigen. Du bleibst so lange, wie es nötig ist – es gibt kein Zeitlimit. Und du kommst zurück, wenn es richtig ist. Du wirst wissen, wann das ist.«
»Du erwartest im Ernst, dass ich gehe, jetzt gleich ?« Ich verschränke die Arme. »Aber es ist Nacht, und es ist kalt. Außerdem habe ich einen Riesenhunger, ich hab ja nicht mal zu Abend gegessen!«
Doch auch wenn alle meine Argumente gut und stichhaltig sind, auf Paloma machen sie keinen Eindruck. Sie wedelt alles mit einer Geste davon.
»Was ist mit meinem Gips?« Es ist mein letzter Versuch, und er ist ziemlich durchschaubar, aber was bleibt mir anderes übrig?
Paloma lächelt. »Du bist längst geheilt, nieta , wie du sicher schon selbst erraten hast. Du brauchst ihn nicht mehr, und ich bin mir sicher, du wirst ohne ihn zurückkommen. Sein Material ist nicht umweltschädlich und biologisch abbaubar. Der Gips erledigt sich von selbst.«
Chay kommt zu uns herüber und verkündet, dass die Pferde gesattelt und bereit sind, aber ich bin nicht bereit. Ich
habe so viele Fragen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Aber ich komme nicht dazu, noch viel zu sagen, da schließt mich Paloma schon fest in die Arme. »Adieu und viel Glück«, flüstert sie mir ins Ohr.
Und ehe ich mich’s versehe, hebt mich Chay auf Kachinas Rücken, und wir reiten davon in die Dunkelheit.
Achtzehn
W ir reiten durch die Nacht. Unsere Pferde suchen sich den Weg durch schwieriges Gelände, geleitet vom Mond, den Sternen und nicht viel mehr.
Unser Gespräch beschränkt sich auf ein Minimum, meist stellt nur Chay ab und zu eine Frage wie: »Alles in Ordnung? Brauchst du irgendwas?«
Und die beiden Male, wo ich eingenickt bin und fast aus dem Sattel gerutscht wäre, ruft er: »Pass auf!«
Bis schließlich der Morgen dämmert und die Sonne allmählich über die Berge steigt. »Wir sind da«, sagt Chay.
Ich sehe mich um, doch meine Augen sind so müde, dass ich nicht erkenne, inwiefern sich dieser Ort von all den anderen Orten unterscheiden soll, die wir unterwegs passiert haben. Es gibt Erde, Gräser, schroffe Felsen und kahle Bäume. Nichts, absolut nichts hier ist irgendwie besonders – es wiederholt sich alles nur endlos.
»Was meinst du, sollen wir die Pferde hierlassen und dich zu deinem Platz bringen?«
Ich verziehe den Mund und halte mich an meinem Pferd fest.
»Daire, es ist Zeit«, sagt er, und seine Stimme ist so sanft wie die Finger, mit denen er mir Kachinas Zügel aus der Hand nimmt.
»Ich will aber nicht.« Ich beiße mir auf die Unterlippe, und meine Worte sind mir ebenso peinlich wie meine weinerliche
Stimme, aber ich spreche trotzdem weiter. »Ich bin müde und habe Hunger, und mir gefällt’s hier nicht. Ich fühle mich nicht sicher.« Flehentlich sehe ich ihn an, doch er steht nur da und hält mir die Hand hin.
»Komm schon.« Er bedeutet mir, neben ihm herzugehen. »Wir müssen uns beeilen. Je früher du anfängst, desto früher können wir dich wieder nach Hause holen.« Er spricht in lockerem, beinahe heiterem Ton, doch es funktioniert nicht ganz. Chay ist ein vertrauenswürdiger Mann, ein Mann mit einem guten Charakter und edlen Absichten – und schon allein das macht ihn zu einem miserablen Lügner.
Als der Weg enger wird, geht er voraus und führt mich einen langen, kurvenreichen Pfad hinauf, auf dem wir beide schwer atmen müssen. Vor einer großen, dunklen Öffnung bleibt er stehen. »Viele deiner Vorfahren haben ihre Visionssuche hier durchlebt«, erklärt er. »Auch Paloma, als sie in deinem Alter war.« Er dreht sich zu mir um. »Wie du weißt, ist Django nie so weit gekommen, was bedeutet, dass die Höhle seit vielen, vielen Jahren nicht benutzt
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