Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Strom kleiner Blutstropfen aus der Nase rinnt. Ich will gerade fragen, ob ihr auch nichts fehlt, als sie schon wieder fortfährt. »Wenn dir jemand Unrecht tut, musst du
lernen, die andere Wange hinzuhalten. Deine Kräfte dürfen nie dafür verschwendet werden, dein Ego zu schützen – vielmehr müssen sie zum größeren Nutzen der Allgemeinheit kanalisiert werden. Es gibt ein altes und sehr kluges Sprichwort der amerikanischen Ureinwohner, das folgendermaßen lautet: Immer wenn du verächtlich mit dem Finger auf jemanden zeigst, bleiben drei Finger übrig, die auf dich zurückzeigen. « Sie sieht mich aufmerksam an. »Das darfst du nie vergessen, nieta . Du darfst nie ein vorschnelles Urteil fällen. Aber andererseits musst du auch wissen, dass Suchende Feinde haben. Es gibt Wesen, deren einziges Ziel es ist, uns zu überwältigen, wenn nicht gar, uns auszulöschen. Und das bedeutet, dass ich dich den Umgang mit dem Dunklen lehren werde, genauso wie ich dich lehren werde, dich mit dem Licht zu verbünden.«
Sie tritt an das Regal an der Wand gegenüber und stößt dabei gegen die rot bemalte Trommel, woraufhin diese so zu vibrieren beginnt, dass ich mir die Ohren zuhalten und mich ängstlich ducken muss. Auf meine sonderbare und unerwartete Reaktion hin dreht sich Paloma um und sieht mich prüfend an. »Tut mir leid«, sage ich. »Aber es ist … das Geräusch. Es stört mich wirklich. Ich weiß, du wolltest die Trommel nicht schlagen, aber es wäre mir ehrlich lieber, wenn ich sie nicht hören müsste.«
Sie lehnt sich gegen das Regal, zieht ein Taschentuch hervor und presst es an ihre Nase. »Die Trommel ist ein heiliges Instrument. Es ist, wie ich dir schon gesagt habe, alles enthält Energie. Alles enthält seinen eigenen Geist, da macht die Trommel keine Ausnahme. Ihr Klang ähnelt dem Herzschlag, einem Puls des Lebens. Oft bezeichnet man sie als Geistpferd, da ihr Tempo ein Portal erschafft und einem die Reise in andere Welten gestattet.« Als sie meinen Gesichtsausdruck
sieht, fügt sie hinzu: »Es gibt nichts zu befürchten, nieta .«
Ich spiele mit dem Saum meines Sweatshirts, von ihren Worten nicht im Geringsten beruhigt. »Das mag ja sein«, erwidere ich. »Aber da auf dem Platz in Marokko und auch im Rabbit Hole war es der Klang von Trommeln, der die Welt stehen bleiben und die Leuchtenden und die Krähen erscheinen ließ.«
Palomas Augen glänzen, während sie das blutige Taschentuch zusammenknüllt. »Dann hast du ihre Macht also schon erfahren«, sagt sie. »Erzähl doch, nieta , ist die Luft ganz diesig und flirrend geworden?«
Ich grabe mir die Nägel tief ins Fleisch. Unterdessen geht sie hinüber zur Spüle, wirft das Taschentuch weg und wäscht sich die Hände.
»Wenn du ihnen gefolgt wärst und das getan hättest, was sie von dir wollten, hättest du dich in einer anderen Welt wiedergefunden – einer anderen Dimension.« Sie lässt das Handtuch fallen, fasst in den Schrank und nimmt eine kleine schwarze Tasche heraus.
»Meinst du … meinst du damit, ich hätte ihnen folgen sollen?« Ich sehe sie skeptisch an.
»Nein, das meine ich damit absolut nicht. Es ist besser, dass du sie ignoriert hast. Du warst noch nicht bereit, auf ihren Ruf zu hören, und es kann gut sein, dass du dich verirrt hättest. Natürlich hätte ich dich gefunden … irgendwann. Aber nein, du hast richtig gehandelt. Ganz ähnlich wie der Tee deiner Seele die Reise ermöglicht hat, hat der Schlag der Trommel deinen Körper auf die Reise geschickt. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis du keines von beidem mehr brauchst. Bald wirst du selbst über die Portale bestimmen. In Enchantment gibt es mehrere, wie du bald sehen wirst.«
»Und warum genau soll ich in diese anderen Dimensionen reisen?«, frage ich und verfolge ihre Bewegungen, während sie durch den Raum wirbelt und eine Reihe von Dingen zusammensammelt, die überhaupt nichts miteinander zu tun zu haben scheinen: ein kleines Streichholzbriefchen, ein rotes Kopftuch, eine dünne weiße Kerze, ein paar Stückchen Kreide, eine kleine Rassel aus Rohleder und noch ein paar andere Gegenstände, aus denen ich nicht recht schlau werde.
»Weil du dort wichtige Aufgaben zu erfüllen hast. Du wirst bald den Weg des Geistes entlangreisen, wo dir vieles offenbart werden wird – deine größten Gaben, deine größten Schwächen und auch der wahre Zweck deiner Zeit hier in der Mittelwelt. Aber pass auf, womöglich offenbaren sie sich nicht alle sofort. In manchen
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