Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Iriden macht einer bodenlosen Leere Platz, die alles in sich einsaugt – alles außer mir. »Wow, du weißt wirklich, wie man jemanden kränkt, was?« Er wirft mir einen leidenden Blick zu, den ich ihm nicht eine Sekunde lang abkaufe. »Können
wir das nicht irgendwie bereinigen? Kann ich dich vielleicht überreden, mir eine Chance zu geben?«
Ich verdrehe die Augen und zerre an den Zügeln, auf dem Sprung, mich von hier zu verabschieden, als er erneut nach Kachinas Zaumzeug greift, woraufhin ich die Hacken so heftig in ihre Flanken ramme, dass sie direkt auf ihn losprescht.
Erst nachdem er sich zur Seite geworfen hat, begreife ich, wie nahe ich daran war, ihn zu töten oder massiv zu verletzen. Die Erkenntnis bringt mich ins Zweifeln.
Zweifeln an meiner Fähigkeit, zwischen Realität und Träumen zu unterscheiden.
Zweifeln an meiner Fähigkeit, die Wahrheit hinter dem Trugbild zu suchen.
Jedes Mal, wenn ich ihn gesehen habe, war er zwar schmierig, aber freundlich. Das einzige Mal, dass er sich je tatsächlich als böse erwiesen hat, war in meinen finstersten Momenten – und im Schlaf.
Unsere Blicke begegnen sich – meiner ist entsetzt, seiner flach und unergründlich.
Und so lasse ich ihn stehen.
Kachina und ich stürmen den Weg entlang, so schnell wir können, außer Stande, die überwältigende Last des Zweifels abzuschütteln, die mich den ganzen Weg nach Hause begleitet.
Das Lied des Raben
Vierundzwanzig
C hay hält am Straßenrand vor einem zweistöckigen Gebäude, das trotz aller Versuche, den allseits beliebten Lehmziegelbaustil nachzuahmen, im Grunde nicht viel mehr ist als ein Betonklotz mit Sandsteinfassade, umgeben von einem hohen Eisenzaun mit einem Tor, an dem ein finster dreinblickender Mann Wache steht, und einem großen Schild daneben, auf dem steht: Milagro High – Heimat des Magiers , mit der Karikatur eines Zauberers darunter.
Milagro High.
Wunder-Highschool.
Dem äußeren Anschein nach zu urteilen, ist diese Schule ebenso unpassend benannt wie die Stadt, in der sie steht.
Mit grimmiger Miene versuche ich, kräftig Luft zu holen, doch es gelingt mir nicht richtig. Ich rufe mir in Erinnerung, wie ich absolut heil und voller Selbstsicherheit aus meiner körperlichen Zerstückelung in der Höhle hervorgegangen bin, also kann ich doch sicherlich auch das überleben: meinen ersten Tag in der elften Klasse dieser gefängnisartigen Schule.
Doch sosehr ich mich auch bemühe, die Aufmunterung fruchtet nicht. Der heutige Tag bedeutet in nicht nur einer Hinsicht eine gravierende Veränderung zum Schlechten.
Nachdem ich im Triumph die Höhle verlassen habe, war ich begierig, mich allem zu stellen, was als Nächstes kommen sollte, begeistert von dieser ganz neuen Welt, die sich mir eröffnet hatte – und fest davon überzeugt, dass ich als Suchende
weitaus mehr Superheldin als Schülerin sein würde. Und obwohl ich die Verdienste der Internetschule in den höchsten Tönen gepriesen und erklärt hatte, wie sehr sie meinen Wortschatz erweitern und mich zum Mathe-Crack machen werde, gab Paloma trotzdem nicht nach. Nachdem ich nun meine Visionssuche hinter mich gebracht habe, ist es in ihren Augen unerlässlich, dass ich in die Gesellschaft hinausgehe, und dazu gehört zu meinem Pech, dass ich eine Schule besuchen muss.
»Sie brauchen dich, nieta «, hat Paloma gesagt und mich eindringlich angesehen. »Sie wissen es noch nicht, aber es ist so. Du allein wirst die Gemeinschaft im Gleichgewicht halten. Niemand sonst kann deine Aufgabe erfüllen.«
»Und was ist mit dir?«, habe ich gefragt, als sie sich abwandte und ein blutbeflecktes Taschentuch fest umklammerte, damit ich es nicht sah.
»Meine Kräfte lassen nach.« Ihr Blick wanderte weit in die Ferne. »Es war nie so gedacht, eigentlich sollen Eltern und Kind zusammenarbeiten. Aber ich bin schon so lange allein und versuche, Djangos Verlust auszugleichen. Ich fürchte, es hat seinen Tribut gefordert. Und jetzt muss ich festhalten, was noch übrig ist, damit ich es an dich weiterreichen kann. Bald wirst du stärker sein als jeder andere Suchende vor dir. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, nieta – du bist mehr als bereit dafür.« Als sie sich mir wieder zuwandte, sagte mir ihre Miene, dass die Diskussion damit beendet war.
Die Entscheidung fiel trotz all meiner Proteste, und jetzt klammere ich mich an die Tür von Chays Pick-up und betrachte an einem düsteren Mittwochmorgen unfroh meine neue Schule. Ganz schön
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