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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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ich
wiederhole: ein Kilogramm Nüsse — eingekauft, jede Menge Powerriegel,
zwei Packungen Butterkekse, nur echt mit zweiundfünfzig Zähnen, und auch noch —
das toppt alles — seine elektrische Zahnbürste mitgebracht. Eine elektrische
Zahnbürste! Wir biegen uns vor Lachen, Ingo kommen bereits die Tränen. Ich
meine, mit einem Kilogramm Nüsse, einem Stapel Powerriegel und zwei Packungen
Butterkekse könnte er abgeschnitten von der Außenwelt locker eine Woche
überleben. Wo meint der werte Herr eigentlich unterwegs zu sein? Es gibt nur
wenige Regionen auf der Welt, in denen man eine Woche von der Außenwelt
abgeschnitten werden könnte und gleichzeitig einen Stromanschluss hat, um sich
mit einem Kauleistenvibrator die Beißerchen zu polieren. Wo bleibt da die
Logik?
    »Ich brauche die einfach«,
rechtfertigt er sich. »Ohne die fühl’ mich einfach nicht wohl.«
    Ehrlich gesagt würde es mich
nicht wundern, wenn ich in diesem Moment mit zwei Pilgern an einem Tisch
säße, die ein Backgammonbrett im Rucksack liegen haben. In diesem Moment ruft
Ingo eine kleine Pilgerin um die zwanzig mit langem, rotem Haar zu uns an den
Tisch. Offensichtlich kennen sich die beiden, so freudig wie sie sich begrüßen.
Aus dem kurzen Plausch ist herauszuhören, dass sie bereits einige Etappen
gemeinsam absolviert haben. Christina, die »Chris« genannt werden möchte, kommt
aus Deutschland, spricht mit einem lässigen Tonfall in der Stimme und zeigt uns
erst einmal lustige rote Punkte an ihren Armen; wahrscheinlich irgendwelche
Flohbisse. Kurzentschlossen setzt sie sich zu uns, und bald erfahren wir, dass
Ingo und Chris in den vergangenen Wochen gemeinsam zweimal vierzig Kilometer am
Tag gelaufen sind. Vierzig. Die laufen in einer anderen Liga.
    Am Nebentisch haben sich die
vier deutschen Sechs-Uhr-Mädels niedergelassen. Sie müssten alle um die dreißig
Jahre alt sein. Mit zwei von ihnen habe ich bereits einige unverbindliche Worte
gewechselt, und beide verhielten sich mir gegenüber äußerst nett. Entweder
können sie ihren Mitmenschen hervorragend etwas vormachen, oder sie sind nur zu
viert schlimm. Jetzt sind sie zu viert, verhalten sich aber relativ ruhig.
Hinterher erzählt Melanie mir, dass die eine, die so nett zu mir war, sich ihr
gegenüber bei jeglicher Kontaktaufnahme wahnsinnig zickig verhält. Wie
interessant. Eine Frau über dreißig, zickig zur jüngeren Frau, freundlich zu
jüngerem Mann. Jetzt wird mir einiges klar.
    José, der Radpilger von gestern
Abend, taucht ebenfalls auf. Heute ist sein letzter Tag, morgen fährt er mit
seiner Frau nach Burgos zurück, anschließend geht es nach Hause. Sein kugelrunder
Bauch könnte eigentlich noch ein paar Kilometer vertragen, aber immerhin können
wir uns richtig verabschieden. Und endlich, gut anderthalb Stunden nach uns,
kommt auch Avril in Hontanas an. Natürlich würdigen wir ihre Ankunft mit Jubel
und Applaus. Mit ausreichend vielen Pausen geht es ihr nach den heutigen
einunddreißig Komma sechs Kilometern wesentlich besser als nach den gestrigen
vierundzwanzig. Darauf stoßen wir natürlich an.
    Beim Abendessen im Erdgeschoss
einer Pension entflammt die allabendliche Diskussion um das nächste
Etappenziel. Ich sitze mit Avril, Marcos und Melanie an einem Tisch. Jeder
zückt seinen Wanderführer und wirft Argumente in den Raum. Ich verkünde, dass
ich morgen definitiv nach Frómista laufen werde. Davon ist Avril alles andere
als begeistert; über vierunddreißig Kilometer an einem Tag sind definitiv zu
viel für sie.
    »Ich muss mein Pensum laufen«,
erkläre ich ihr. »Ich brauche das jetzt. Auch wenn es heißt, dass wir uns
trennen.«
    »Es ist alles in Ordnung,
Maori«, beschwichtigt Avril mich. »Natürlich musst du deinen Gefühlen folgen.
Es wäre nur traurig, wenn wir dich nicht mehr bei uns hätten.«
    Darauf kann ich nichts
erwidern, wie denn auch? Glücklicherweise lässt Marcos keine unangenehme Pause
entstehen.
    »Ich bin mir nicht sicher, wie
weit ich morgen laufe. Könnte sein, dass ich nur wenig laufen kann, aber könnte
auch sein, dass ich gut vorankomme.«
    Avril stimmt ein. »Gut, machen
wir es so: Wir laufen bis Bocadillo City (sie meint Boadilla del Camino), und
wenn wir fit genug sind, laufen wir weiter bis Frómista. Abgemacht?«
    »Klingt gut«, antwortet Marcos.
    Ich nicke.
    Abschiedsstimmung liegt in der
Luft. Aber ich habe mir vorgenommen, mich aus jedem Anflug von Abhängigkeit
herauszuhalten. Ich bin wegen mir hier, daher sehe ich auf

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