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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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ich das Gefühl hätte, ich würde noch weiter
laufen können. Heute kann und will ich es definitiv nicht!
    Ich finde, Marcos und ich
machen uns ganz gut als Gespann.
    Mir gefällt seine entspannte
Grundhaltung, und wir können uns über die gleichen Dinge kaputtlachen.
Beispielsweise über die deutsche Reisegruppe, mit denen wir gemeinsam im
Speiseraum der Bar hocken. Neben uns sitzt ein älteres Pärchen, das der
Bedienung ausführlich erklärt, was es alles nicht mag. Da frage ich mich doch
glatt, was die beiden bitte in dieser Kaschemme verloren haben. Beim Essen
reden Marcos und ich nicht besonders viel, zu kräftezehrend war die Etappe.
Nach dem Dessert hinken wir direkt wieder zurück in die albergue.
    Unser Schlafsaal liegt im
Obergeschoss, und die Urinale im Sanitärraum hängen direkt unter einem Fenster.
Während des Pinkelns kann man also aufs wunderschöne Meseta-Panorama blicken
und sich vorstellen, etwas gegen die todbringende Trockenheit zu unternehmen.
Herrlich. Als ich auf meinem Bett direkt an der Treppe herumlungere, höre ich
aus dem Erdgeschoss, wie zwei deutsche Damen bei einem Spanier Betten in
Sahagún reservieren. Ich werde hellhörig. Marcos und ich wollen morgen
ebenfalls nach Sahagún, und mittlerweile sind auf dem Camino wesentlich mehr
Pilger unterwegs als noch in Logroño. Der Herbergstyp darf mir auf keinen Fall
entkommen. Wenn ich es schaffe, uns zwei Betten zu reservieren, könnte ich
morgen meine kaputten Beine schonen und mir die notwendige Zeit lassen. Schnell
noch einen Blick in den Wanderführer geworfen, ja, die albergue »Viatoris« hat eine gute Bewertung bekommen, also springe ich auf, so gut es
eben geht, hinke die Treppe hinunter und sichere Marcos und mir zwei
Schlafplätze. Was für ein Erfolgserlebnis am Ende des Tages.
     
    Etappe 8: Frómista — Calzadilla
de la Cueza (37 km)

Montag, 7. September 2009
     
    Vor lauter Schmerzen kann ich
nicht besonders gut schlafen.
    Um acht Uhr verlassen Marcos
und ich ohne Frühstück das beschauliche Calzadilla de la Cueza und begeben uns
auf die heutige Kurzetappe nach Sahagún. Kurzetappe ist gut, haha, es liegen
knapp dreiundzwanzig Kilometer vor uns. Das Schlimmste sind immer die ersten
Schritte, wenn die Muskulatur noch kalt ist und jede Bewegung die reinste Qual.
Glücklicherweise bessert sich das bereits nach etwa einer Minute. Kurz hinter
dem Dorf stoßen wir auf die bereits vertraute N-120, an der wir einige
Kilometer entlanglaufen. Schon nach wenigen Minuten machen sich erste
Knieprobleme bemerkbar. Toll, denke ich, aber es kommt noch härter. Auf halber
Strecke nach Ledigos entdecken wir einen gut gebauten, etwa eins neunzig großen
Typen, der seinen Rucksack abgestellt hat und mit ausgebreiteten Armen am
Straßenrand steht. Als er uns bemerkt, hört er aber schnell auf damit. Nicht
nur sein Verhalten ist merkwürdig, sondern auch sein Outfit: Eastpak-Rucksack,
Turnschuhe, Freizeitklamotten. Er wirkt, als sei er gerade auf dem Weg zum
Basketballplatz auf dem Unigelände. Uns stellt er sich als Simon (bitte
englisch aussprechen, ganz wichtig!) vor, einundzwanzig, aus Hannover. Oh
Simon, bitte beschädige das Ansehen deines Heimat- und meines Geburtslandes
gegenüber Marcos nicht. Obwohl wir einfach weitergehen wollen, quatscht der
merkwürdige Kerl uns mit Informationen voll, nach denen wir deines Wissens
nicht verlangt haben. Dabei spricht er sehr langem, als wäre er betrunken. Und
schon haben wir ihn an der Backe. Nach einer halben Stunde weiß ich immer noch
nicht, wieso wir uns mit ihm unterhalten. Häppchenweise erfahren wir, dass er
vier Schwestern und einen jüngeren Bruder hat, im Herbst ein Maschinenbau- und
Umwelttechnikstudium beginnt und wie Marcos in Burgos gestartet ist. Wie er uns
mit leicht irrem Blick erzählt, ist er gestern ohne ausreichenden Wasservorrat
von Boadilla del Camino aus zweiundvierzigeinhalb Kilometer (!) nach Calzadilla
de la Cueza gelaufen — und umgekippt! Jetzt erinnere ich mich blass dass er
letzte Nacht über Marcos im Bett geschlafen hat, und zwar ohne Schlafsack. Wie
wir erfahren, hat er gar keinen dabei.
    Im Laufe des extrem zähen
Gesprächs erzählt er mir außerdem noch, dass er Profischwimmer werden wollte,
sein Traum jedoch wegen mangelnder Leistungsfähigkeit zerplatzt sei. Trotzdem
muss er in einer physisch exzellenten Verfassung sein, anders hätte er den
gestrigen Tag sicher nicht überlebt. Auf Dauer wird ihm seine Physis aber
überhaupt nichts nützen, sein Hirn wird

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