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Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Vom Tod verführt: Roman (German Edition)

Titel: Vom Tod verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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vielen Anhängern, um es in meine Hosentasche zu stecken. Der zusätzliche Schutz, den es mir verschafft hatte, verblasste. Grabeskälte drückte gegen meinen mentalen Schild, schlug wie eisiges Wasser gegen den Rand meines Bewusstseins. Ich atmete tief ein, versank tiefer in meine Trance und spürte die Kraft der Schatten. Beharrlich drängte sie gegen meinen Verstand. Bittend. Verlockend. Fordernd.
    Ich ließ meinen Schild fallen.
    Ein heftiger Windstoß durchfuhr mich. Die klamme Berührung des Todes streifte meine Haut, drang in mein Fleisch.
    Ich öffnete die Augen.
    Meine Sicht hatte sich verändert, die Welt war auf einmal von einer grauen Patina überzogen. Rostflecken hatten sich in den glänzenden Stahl der Bahren rechts und links von mir gefressen. Der Wind, der durch mich brauste, kräuselte das fadenscheinige zerlumpte Laken, das den Leichnam zu meiner Linken bedeckte. Das Linoleum unter meinen Füßen hatte sich aufgelöst, der Zementboden begann zu bröckeln. Johns zerknitterte Jacke war voller Löcher, doch er selbst war von Licht erfüllt, denn seine Seele strahlte in blendend gelbem Glanz.
    Ich schaute weg.
    Der Wind gewann an Stärke, brüllte in meinen Ohren und löschte jeden anderen Klang aus. Die Kälte griff nach mir, nagte an meiner Haut, biss in mein Blut.
    Es tat weh.
    Ich war lebendig. Ein Wesen, warm und atmend, nicht kalt und still. Nicht dem Tod gehörend. Meine Lebenskraft brannte gegen die Kälte an, kämpfte gegen die Kraft der Schatten, die sich in meine Seele wand. Schweiß bedeckte meine Haut, obwohl ich zitterte.
    Eine Atempause wäre nicht schlecht.
    Die seelenlose Gestalt in der schwarzen Hülle rief mich zu sich. Ich brauchte die Macht nicht zu leiten. Ich hörte auf, gegen sie anzukämpfen, und meine lebendige Wärme floss in den wartenden Leichnam. Während die Wärme mich verließ, füllte Grabeskälte angenehm meine Glieder. Das Brausen des Windes verstummte. Ich blinzelte. Ich konnte nur einen Leichnam innerhalb des Kreises spüren– die Frau in dem schwarzen Leichensack.
    Seltsam.
    Mein Geist griff nach ihr, die mir angeborene Gabe folgte dem Pfad, den die Wärme geschlagen hatte. Doch obwohl meine Lebenskraft ihn erfüllte, war der Schatten, den ich berührte, schwach und zerrissen. Wie kann ein Schatten, der nie beschworen worden ist, so schnell verblassen?
    Meine Magie floss die klaffenden Schnitte entlang, die den Schatten schwächten. Die tiefen Verletzungen hatten ihn fast zerfetzt. Noch nie war mir etwas Ähnliches begegnet.
    Ich ließ mehr Magie in den Leichnam strömen, ließ meine Kraft die Wunden füllen. Der Schatten fühlte sich immer noch zerbrechlich an, vermochte sich kaum zu erinnern. Doch meine Wärme und meine Kraft stützten ihn, verliehen ihm genug Substanz, sich zu erheben.
    Ich atmete noch einmal tief durch, dann stieß ich den Schatten der toten Frau sanft an. Meine Kraft lockte sie aus ihrem Körper, geleitete sie über den Abgrund, der die Lebenden von den Toten trennte.
    Schreiend erhob sie sich vor mir.

2. Kapitel
    S chrilles, durchdringendes Kreischen erfüllte die Luft, und meine Hände flogen hoch, um meine Ohren zu bedecken. Was, zum Teufel …
    Ich wich zurück, stolperte, als der Schatten aus dem toten Körper brach. Kopf und Schultern glitten aus dem schwarzen Sack, seltsam substanzlos. Nicht eine Sekunde lang hörte das grässliche Schreien auf. Ihr Gesicht war verzerrt, als ob die Agonie des Todes noch über das Grab hinaus anhielte.
    Ich schnappte nach Luft. » Bethany?«
    Sie reagierte nicht auf ihren Namen. Ich musterte sie forschend. Das Gesicht mit dem spitzen Kinn und den hohen Wangenknochen wirkte älter, als ich es in Erinnerung hatte. Doch die harte, fast schon grausame Schönheit ihrer Züge, als ob sie zu einem Teil vom Feenvolk abstammte, war unverkennbar. Sie musste es sein.
    Ich drehte mich zu John um. » Ich kenne sie.«
    Die Spitzen von Johns Bart sanken zu seinem Kinn herab. » Du kannst sie identifizieren? Wer ist sie?«
    » Sie heißt Bethany Lane. Wir waren zusammen auf der Akademie. Sie ist– war– eine Weissagungshexe.« Ich runzelte die Stirn. Noch nie zuvor hatte ich den Schatten von jemandem, den ich als Lebenden kannte, beschworen. Nicht dass ich Bethany besonders gut gekannt hätte. Doch selbst in einer Stadt wie Nekros machten Hexen nur einen geringen Teil der Bevölkerung aus. Und Weissagungshexen– statt ihnen beizubringen, wie man die ätherische Ebene erreichte, um magische Energie zu gewinnen,

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