Vom Umgang mit sturen Eseln und beleidigten Leberwürsten - wie Sie Konflikte kreativ lösen
das Bild der Glasglocke aus Kapitel 2 (siehe Seite 37). Genau hier stehen wir nun. Wenn wir unserem Konfliktpartner nach eingehender Selbstklärung unsere Sicht mithilfe der Klärungssprache dargelegt haben, haben wir damit unsere Glocke angehoben. Wir zeigen uns und werden für den anderen sicht- und einschätzbar.
Ich zeige mich
Besteht überhaupt ein Problem?
Bedenken Sie: Natürlich bleibt eine Kritik auch mit der Klärungssprache für Ihr Gegenüber unangenehm. Kritik ist Kritik und nicht Zustimmung.
Deshalb sollten Sie stets genau prüfen, ob ein Gespräch wirklich angebracht und notwendig ist. Mithilfe der folgenden Fragen können Sie das in Ruhe abwägen:
Wie oft kommt die Störung genau vor?
Wie sehr beeinträchtigt mich die Situation? Muss ich etwas sehr Schlimmes in Kauf nehmen? Wie lange dauert dieser unangenehme Zustand für mich? Ist das wirklich unzumutbar oder ist es einfach nur ein wenig unangenehm für mich?
Wenn ich es als unzumutbar empfinde, liegt das dann möglicherweise an mir, weil ich in diesem Punkt extrem empfindlich bin?
Welche Einschränkung bedeutet es für den anderen, wenn er sein Bedürfnis hinter meinem Bedürfnis anstellen muss?
Ist diese Einschränkung für den anderen zumutbar oder verschlechtert es seine Lebensqualität möglicherweise sehr?
Kann der andere die Störung überhaupt abstellen?
Möglicherweise ist Ihnen klar, dass der andere eine Störung, die Sie empfinden, nicht abstellen kann. Das mag an persönlichen Grenzen oder auch einfach nur an der Situation liegen. Dann stellt sich die Frage, was es Ihnen bringt, wenn Sie die Störung ansprechen. Halten Sie Ihren Energieeinsatz stets so gering wie möglich und heben Sie Ihre Kraft für Situationen auf, bei denen sich Ihr Einsatz lohnt.
Meine Bedürfnisse – deine Bedürfnisse
Grundsätzlich sollten Sie Ihre Bedürfnisse nicht über die Bedürfnisse eines anderen stellen. Doch es gibt Situationen, in denen Sie das tun müssen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn
Gefahr für Sie droht.
Sie selbst maßgeblich in Ihrer Freiheit eingeschränkt werden.
für Sie Schaden entsteht.
Ihr Eigentum Schaden nimmt.
Ihnen etwas sehr wichtig ist.
In unserem Beispiel ist es durchaus sinnvoll, dass Irene ihr Unbehagen anspricht. Sie fühlt sich durch die ständigen Lästereien über den Chef belastet. Für Sabine ist es zumutbar, dass sie sich in diesem Punkt zurücknimmt. Wenn Sabine allerdings dann in Zukunft ihren Frust bei einer anderen Kollegin ablässt, geht es Irene nichts mehr an.
Nicht immer ist es der beste und einzige Weg, eine Störung direkt anzusprechen. Möglicherweise können Sie ein Problem auch anders abwenden. Lassen Sie Ihrer Kreativität dabei freien Lauf. Falls Ihre indirekten Versuche jedoch nicht funktionieren, sollten Sie Mut fassen und sich trauen, für Ihre Belange einzutreten.
Das Ende einer guten nachbarschaftlichen Beziehung
Wenden wir uns noch einmal unserem Eingangsbeispiel von Seite 12 zu. Reflektieren wir auch hier die oben gestellten Fragen. Vielleicht können wir nun eine Lösung finden.
Setzen wir bei dem Moment an, an dem Claudia Kopp sich durch den Gestank und den Anblick des Mülls von Nachbar Holzer gestört fühlt:
Schritt 1: Claudia Kopp sollte zuerst abwägen, ob es richtig ist, ihm das zu sagen.
Sie wird durch den Müll ab und zu für wenige Sekunden negativ beeinträchtigt. Vermutlich gehört es sich in ihrer kleinen Welt nicht, dass jemand einfach seinen offenen und stinkenden Müll vor die Tür stellt. Vielleicht ist diese Handlung in der Welt des Michael Holzer aber akzeptabel. Claudia Kopps unerfülltes Bedürfnis könnte in diesem Fall ihr Bedürfnis nach Ordnung, Hygiene oder auch Ästhetik sein. Wenn sie nun an Michael Holzer herantritt und von ihm erwartet, dass er wegen ihr seinen Müll nicht mehr vor die Haustür stellt,dann stellt sie damit automatisch ihr Bedürfnis über sein Bedürfnis. Sein Bedürfnis könnte an dieser Stelle Unkompliziertheit und Freiheit sein. Mit welchem Recht tut sie das?
Andererseits kann es auch sein, dass Herr Holzer sich über die unangenehmen Konsequenzen, die sein offener Müll vor seiner Haustür für seine Nachbarin bedeutet, einfach nicht bewusst ist. Möglicherweise würde er die Störung gerne abstellen, wenn er freundlich darauf aufmerksam gemacht würde.
Mithilfe der Reflexionsfragen hätte Claudia Kopp nun für sich herausarbeiten können, dass sie …
Michael Holzer nicht vorschreiben kann, dass er seinen
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