Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Stompe
Vom Netzwerk:
wieder zur Aufnahme gebracht. Er zeigte sich in ähnlicher psychischer Verfassung wie am Vortag. Es wurde klar, dass er sich in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Aufnahme mehrerer Vergehen schuldig gemacht hatte, die jedoch anscheinend nicht zur Anzeige kamen. Er habe während der Tischlerausbildung einen Angestellten mit einem Stemmeisen bedroht, weiters habe er immer wieder Kontakt zu einer im Ausbildungsbetrieb tätigen Angestellten gesucht, die er mit anonymen Telefonanrufen belästigt habe. Zuletzt habe ein anderer Angestellter bei der Polizei angerufen und Anzeige wegen Morddrohungen erstattet.
    Im psychologischen Befund heißt es über Ivan B.: „Es zeigt sich das Bild eines eigenwilligen, schwierigen Menschen, der zu ungewöhnlichem Denken und bizarren Ideen neigt. Er ist misstrauisch bis feindselig, leicht reizbar und schwer zugänglich. Er verhält sich zur Umwelt distanziert und hat wenig emotionale Bindungen. Es besteht ein Mangel an Selbsterkenntnis. Erlebnisse können innerlich nicht verarbeitet werden, wodurch auch keine Selbstauseinandersetzung möglich ist. Durch das gesamte Protokoll ziehen sich Anzeichen für eine Kontaktstörung, ein angespanntes Verhältnis in zwischenmenschlichen Beziehungen, da der Patient wenig innere Anteilnahme und wenig Sinn und Einfühlung für Menschliches zeigt und somit unfähig zu sozialen Bindungen ist. Es besteht geringe geistliche Beweglichkeit bei einer sehr niedrigen intellektuellen Kapazität. Die Beobachtungsgabe, Konzentration und der Realitätsbezug sind deutlich beeinträchtigt.“
    Zwei weitere Male wurde B. stationär behandelt, bis es zum Anlassdelikt kam. B. verarbeitete den Abschied seiner Freundin aus der Wohngemeinschaft paranoid. Er wollte die Wohngemeinschaft bestrafen und deponierte telefonisch Bombendrohungen. B. leugnete zuerst die Drohungen. Nachdem man ihm die Mechanismen der Fangschaltung genau erklärt hatte, gestand er diese jedoch ein. Im Aufnahmestatus wirkte der Patient im Gedankengang zerfahren, war nicht leicht verständlich und ausweichend, wirkte ängstlich. Einige Tage später jedoch zeigte er das im stationären Bereich von ihm gewohnte freundliche, manchmal etwas kindlich wirkende Verhalten. Ende 2000 schließlich wurde Ivan B. in die Justizanstalt Göllersdorf überstellt. Dort zog man nach zahlreichen Gesprächen folgende Schlüsse: „Wenn man den Querschnitt und den bisherigen Krankheitsverlauf betrachtet, so zeigt sich einerseits eine leichte Minderbegabung, auf die sich eine prozesshaft verlaufende Erkrankung im Sinne einer Pfropfschizophrenie (Schizophrenie auf Basis einer Intelligenzminderung) lagerte. [...] Dominant ist allerdings ein hebephrenes Verlaufsbild.“ Die inkriminierten Tathandlungen seien allerdings aus wahnhaften Hintergründen erfolgt. Erschwerend käme das intellektuelle Leistungsdefizit, welches durch den zunehmenden Intelligenzabbau durch die Schizophrenie verstärkt werde, hinzu.

Der Fall Christian H. – Der Schlossherr von Göllersdorf
    Ein Mann mit einer Kugel im Herz hatte sein Leben satt. Nachdem er seine Mutter im Seniorenheim besucht hatte, pflanzte er sich vor einem Polizisten auf, zog sein Taschenmesser und fuchtelte damit dem Beamten vor dem Gesicht herum. Dabei brüllte er ihn in der Hoffnung an, dass das Gegenüber endlich seine Waffe zieht, ihn erschießt und damit seinem Leiden ein Ende macht. Und tatsächlich, der Polizist bekam es mit der Angst zu tun, zog seine Pistole aus dem Halfter und schoss ... in den Oberschenkel. Christian H., ein damals 35-jähriger Mann, wurde ins Spital gebracht und versorgt. Später im Gefängnis wurde er begutachtet. Der Sachverständige attestierte eine paranoide Schizophrenie. Das Tatbild entsprach einer gefährlichen Drohung. Da H. ganz offensichtlich schuldunfähig war, wurde er zur weiteren Behandlung in den Maßnahmenvollzug nach § 21/1 StGB eingewiesen.
    Christian H. erzählt gerne über seinen wahnhaft veränderten Lebenslauf: „Ich bin im Wagner-Jauregg-Krankenhaus geboren worden, mein Vater ist Adolf Hitler, der als Geisteskranker dort aufgenommen gewesen war.“ Er habe einen Zwillingsbruder, seine leibliche Mutter habe versucht, die Kinder abzuschieben, da damals die Nazihetze begonnen habe. Sein Zwillingsbruder sei der Familie H. anstelle eines totgeborenen Kindes untergeschoben worden, während er von einem Flugzeug über dem Amazonas abgeworfen worden sei. Indianer vom Stamme der Jeschuas hätten ihn dort gefunden und aufgezogen. Mit

Weitere Kostenlose Bücher