Vom Wunsch, Indianer zu werden
Industriezentren geschickt. Zwar bin ich der Jüngste im Bureau, aber man hat erstaunliches Vertrauen zu mir. Meine Abteilung beschäftigt sich mit Unfallverhütung am Arbeitsplatz, und ich soll die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Betrieben aus eigener Anschauung kennenlernen.
Wie er also zum Bahnhof läuft (er ist spät dran). Wie er durch die Bahnhofstür springt, wie er, in der Aufregung, die ihn, so scheint es, in etwas unangemessener Weise erfaßt hat, den Kartenschalter nicht gleich findet. Wie er noch an den Blechverschluß klopfen muß, um den Beamten auf sich aufmerksam zu machen. Es ist höchste Zeit, sagt der, ja eben, antwortet der junge Mann, er bezahlt die Karte und bekommt wahrscheinlich zu wenig Wechselgeld zurück.
Aber damit kann er sich jetzt nicht aufhalten – schon treibt ihn ein Dienstmann, statt ihm beim Tragen des Koffers zu helfen, durch eine Glastür auf den Bahnsteig. Da er keinen Kondukteur sieht, steigt er einfach die nächste Wagentreppe hinauf, was mit Koffer und Schirm nicht leicht ist. Er schafft es, indem er den Koffer immer auf die nächsthöhere Stufe stellt und dann selbst nachkommt. Kaum hat er die oberste Stufe erreicht, ist der Zug auch schon abgefahren.
Zwar sind die Waggons überfüllt, doch er hat Glück und findet den letzten freien Platz. Koffer und Schirm schiebt er unter den Sitz; da er vom Laufen und von der Aufregung müde ist, kann er die Augen kaum offenhalten. Er sieht noch die Regentropfen, die an der Fensterscheibe merkwürdigerweise gegen die Schwerkraft rinnen, hört die Gespräche der Mitreisenden wie ferne, schwerblütige Chöre. Aber das Vorbeigehen des Schaffners bekommt er nur mehr so abwesend mit, daß dem seine Anwesenheit schon gar nicht mehr auffällt.
Und dann, zwischen Traum und Erwachen, merkt er, daß der Zug, draußen ist Nacht, irgendwo steht. Muß er aussteigen? Darf er wieder einsteigen? Wie ein Somnambuler geht er durch die Grenzkontrolle. Zwei Garnituren Uniformierte wollen wissen, was er im Koffer hat. Nicht viel, sagt er, etwas Wäsche, drei Hemden, einen zweiten Anzug und eine Stange Veroneser Salami. Die Wurst muß er zwar anschneiden, aber dann läßt man sie ihm als Reiseproviant durchgehen. Im letzten Moment entdeckt man diverse Papiere. Etwas Politisches? Ach wo, Versicherungswesen! Noch bevor der Kondukteur kommt, bei dem er die Karte für die deutsche Strecke nachlösen muß, wirft er, allein im Waggon, den Papierkram aus dem Fenster.
Und weiter? fragte Herr Burton. Seine Augen glitzerten.
Naja, sagte der junge Mann, und ein paar Tage später war ich halt in Bremen. Zwar habe ich umsteigen müssen, um dorthin zu kommen. Aber ich habe gedacht, wenn ich schon einmal in dieser Richtung unterwegs bin …
Durch Bremen und Bremerhaven streunt er ein bißchen. Er wolle nicht leugnen, daß gewisse zwielichtige Viertel eine besondere Anziehungskraft auf ihn ausübten. Er gerät also an den Hafen, und im Hafen liegen, wie zu erwarten war, Schiffe. Eins davon läuft noch am selben Abend Richtung New York aus.
Herr Burton entfaltete ein Taschentuch. Seine empfindlichen Augen hatten wieder zu tränen angefangen. Es war nun doch etwas stärkerer Wind aufgekommen. An dieser Überempfindlichkeit leide er seit seiner Kindheit.
Er schneuzte sich laut trompetend. Entschuldigen Sie! Entschuldigen Sie, ich habe Sie unterbrochen. Also wie war das? Sie waren in Bremerhaven. Dort haben Sie sich ganz einfach eine Schiffskarte gelöst und sind an Bord gegangen.
Ja, sagte der junge Mann.
Es gab keine weiteren Probleme?
Nein, sagte der junge Mann.
Mit Ihrem Paß war also alles in Ordnung.
Ich glaube schon, sagte der junge Mann.
Der Herr Burton schneuzte sich noch einmal.
Es gibt Leute, dachte er, die nicht einmal ahnen, wie gut es ihnen geht.
Noch eine indiskrete Frage, sagte er, wie sieht es denn eigentlich mit Ihrem Geld aus? (Es ging ihn ja eigentlich nichts an, aber wenn er daran dachte, wie
er
damals …) Ich weiß, ich habs ja gesehen, Sie reisen bescheiden. Aber bei aller Ökonomie – so eine Amerikareise ist kein Sonntagsausflug!
Nun, sagte der junge Mann, für die Dienstreise habe man ihm einiges mitgegeben. Außerdem habe man ihm, mit Rücksicht auf seine etwas angegriffene Gesundheit, einen anschließenden Kurzurlaub genehmigt. Drei bis vier Tage in Spitzberg im Böhmerwald. Über eine gewisse, ins Futter seines Anzugs eingenähte Summe könne er also auch nach Abzug der Transitkosten noch verfügen.
Trotzdem habe der
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