Vom Wunsch, Indianer zu werden
ihn? Aber ließen sie ihn? Zu den feindlichen Journalistenhäuptlingen von der F RANKFURTER Z EITUNG , der K ÖLNER V OLKSZEITUNG und wie die Blätter, die sich auf ihn eingeschossen hatten, alle hießen, schlug sich eine Bande beutegieriger Advokaten, heuchlerische Prediger tauchten ebenso in den Reihen seiner Gegner auf wie gewissenlose Glücksritter.
Mit wieviel verschiedenen Feinden war er doch in seinen Träumen fertig geworden! Mit Hamd & Baruch El Amasat, mit Abrahim Mamur, mit Manach El Barscha, dem Mübarek, letzten Endes mit dem Schut persönlich. Mit den Kukluxern, mit den Stakesmen, mit den Eisenbahnräubern und mit den Sioux-Ogellallah. Aber gegen Leute wie den Vortragsreisenden in der Causa May, Hermann Cardauns, die Witwe seines früheren Verlegers, Pauline Münchmeyer, deren beflissenen Anwalt Dr. Oskar Gerlach und vor allem den beharrlichen Schnüffler in seiner Vergangenheit, Rudolf Lebius, hatte er keine Chance.
Wie dieser Mensch eines Tages vor der V ILLA S HATTERHAND aufgetaucht war. Vor dem verschlossenen Gartentor. Wie er an der stillgelegten Glocke zu klingeln versucht hatte. May hatte ihn aus dem Obergeschoß gesehen, den schwarzen Samtvorhang vor dem Fenster seines Arbeitszimmers nur einen Spaltbreit beiseite schiebend. Seit er aus dem Orient zurück war, ließ er die Vorhänge auch untertags zugezogen.
Also der Mensch da unten. Etwas an dem war May gleich zuwider gewesen. Seine Beharrlichkeit, ja, seine geradezu enervierende Beharrlichkeit. Ein anderer an seiner Stelle hätte längst zur Kenntnis genommen, daß entweder wirklich niemand zu Hause oder sein Besuch offenbar nicht erwünscht sei. Der nicht. Der ging auf und ab, probierte ab und zu an der Türschnalle, verlegte sich schließlich aufs Rufen.
Bis endlich Klara ihr Parterrefenster öffnete. Was wollen Sie? sagte sie. Gehen Sie weiter! Wir kaufen nichts! Und wollte das Fenster wieder schließen. Aber warten Sie einen Augenblick, sagte der Mensch am Gartentor. Gehe ich recht in der Annahme, daß dies das Haus des berühmten Reiseschriftstellers Karl May ist?
Schon, sagte Klara, aber ihr Mann sei natürlich nicht da, sondern auf Reisen.
Jaja, Ihr Mann und seine Reisen, sagte der Mensch – durch welche wilde Weltgegend reitet er denn diesmal? Entschuldigen Sie meine Neugier, aber wissen Sie, das interessiert mich. Ich bin nämlich ein geradezu glühender Karl-May-Verehrer; deshalb halte ich die Campagne, die seit einiger Zeit gegen Ihren Mann geführt wird, auch für eine ausgesprochene Gemeinheit!
Was für eine Campagne? fragte Klara, die Stimme dämpfend.
Na, Sie wissen schon, sagte der Mensch – er stand noch immer vor dem Gartentor. Diese Behauptungen und Unterstellungen, zum Beispiel die, daß Ihr Mann letzthin nicht im Orient war, sondern in einer Nervenheilanstalt …
Ich bitte Sie, schreien Sie nicht so, sagte Klara und trat aus der Tür, um Schlimmeres zu verhindern.
Wie dieser Mensch dann sofort die Situation ausgenützt hatte. Sich über das Geschreibsel einer gewissen Journaille ereifernd. Sehen Sie, sagte er, ich bin ja selbst Journalist. Aber die Herrschaften, die Ihren Mann jetzt auf so infame Weise fertigzumachen versuchen, würde ich glatt zum Duell fordern.
So? sagte Klara.
Ohne mit der Wimper zu zucken, sagte der Mensch. Aber Sie scheinen kein rechtes Zutrauen zu mir als Duellanten zu haben. Und womöglich haben Sie recht: Mit Degen oder Pistole könnte ich Ihrem Herrn Gemahl kaum nützen. Aber wer weiß, vielleicht mit Füllfeder und Schreibmaschine.
Das ist, offen gestanden, auch der Grund, warum ich vorbeigekommen bin. Ich war gerade in der Gegend, und da habe ich mir gedacht, warum schaust du nicht einfach vorbei und machst dem Dr. May einen Vorschlag. Einen Vorschlag, der ihm wahrscheinlich zusagt. Wenn Sie vielleicht doch die Freundlichkeit hätten, mich eintreten zu lassen, könnte ich Ihnen diesen Vorschlag kurz umreißen.
Und stand schon im Garten. Sein Name sei übrigens Lebius. Und watschelte schon aufs Haus zu. Rudolf Lebius, Publizist & Redacteur. May sah ihn von oben. Seine in der Frühlingssonne glänzende Glatze. Rudolf Lebius, Publizist, Redacteur, Herausgeber & Verleger.
May hätte ihm gleich entgegentreten sollen, den B ÄRENTÖTER , den er extra für die V ILLA S HATTERHAND angeschafft hatte, endlich einmal seiner vorgeblichen Bestimmung gemäß anwendend. Zumindest für eine Drohgebärde: Verschwinden Sie oder Sie haben ein Loch im Pelz! – Aber konnte er das? Er war doch auf
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