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Vom Wunsch, Indianer zu werden

Vom Wunsch, Indianer zu werden

Titel: Vom Wunsch, Indianer zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henisch
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Reisen! So war er zwar die Treppe aus dem Obergeschoß hinuntergeschlichen, aber hinter der Tür zur Diele stehengeblieben.
    Und hatte gelauscht. Eine Tätigkeit, die er ja oft beschrieben hatte. Wenngleich sie in seinen Büchern meist in einem etwas abenteuerlicheren Ambiente stattfand. Lebius hatte anscheinend die Fotografien betrachtet, die in der Diele an der Wand hingen. Interessant, hatte er gesagt, Ägypten, nichtwahr, nach der Sphinx im Hintergrund zu schließen.
    Ja, sagte Frau Klara.
    Aber wer ist denn die entzückende Dame im Vordergrund? Sind das nicht Sie, gnädige Frau? Also, das habe ich mir doch gleich gedacht! Wie zugleich sportlich und elegant Sie auf dem Kamel sitzen! Aber – pardon – wer ist denn die andere Dame?
    Das war Emma, die ihm mit Klara und Richard nach Ägypten entgegengefahren war.
    Daß ich euch wiederhabe, hatte er gesagt, wenn ihr wüßtet, wie sehr ihr mir gefehlt habt!
    Speziell in Sumatra. Immerhin war er, ein möglichst weit von Deutschland wegdampfendes Schiff nach dem andern nehmend, bis nach Padang gekommen. Aber dort war er sich beinahe vollends verlorengegangen.
    Wieder in Ägypten, hatte er sich direkt gut zurechtgefunden. Für die Frauen und Richard hatte er ohne weiteres den Fremdenführer spielen können. Richard, den seine Nieren plagten, hatte allerdings nicht mehr sehr viel davon, der blieb lieber im Hotel. Da waren wir meist zu dritt unterwegs. Aber ich weiß nicht, sagte Klara, was Sie das eigentlich angeht.
    Nun, seine Wißbegierde, sagte Lebius, sei gewissermaßen eine Berufskrankheit. Aber die gnädige Frau habe schon recht, vielleicht sollte er sie zügeln, bis gewisse Voraussetzungen geklärt seien.
    Was für Voraussetzungen?
    Die Voraussetzungen unserer Kooperation.
    Welcher Kooperation?
    Der zwischen Ihrem verehrten Herrn Gemahl und mir, sagte Lebius und ließ sich hörbar in einen Sessel fallen.
    Also ich habe mir folgendes vorgestellt: Es gibt eine Campagne gegen Ihren Mann, wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken. Diese Campagne wird geritten – so weit, so schlecht. Aber warum, habe ich mich gefragt, reiten wir nicht ganz einfach eine Gegencampagne?
    Wer
wir? fragte Klara.
    Der Meister und ich natürlich! – Eine Gegencampagne, daß den Karl-May-Gegnern, entschuldigen Sie schon, die Spucke wegbleibt! Sehen Sie, ich habe, wie ich in aller Bescheidenheit sagen darf, eine reichhaltige Erfahrung auf diesem Sektor. Eine ganze Kette von Zeitungen habe ich an der Hand. Auch habe ich Verbindungen in finanzkräftigen Kreisen.
    So? sagte Klara.
    Ja, sagte Lebius. Theoretisch können wir unsere Campagne schon nächstes Wochenende starten. Ich würde vorschlagen, wir beginnen damit in der S ACHSENSTIMME . Nur müßte mir Dr. May vorher für ein kleines Interview zur Verfügung stehen, in dem wir einige seine frühen Reise- und Schreibjahre betreffende Details klären.
    Das werde so schnell nicht gehen, erwiderte Klara. Ihr Mann, wie erwähnt, sei auf Reisen, das sei nicht zu ändern.
    Aber gnädige Frau, sagte Lebius, es ist durchaus im Interesse Ihres von mir, wie gesagt, hochverehrten Herrn Gemahls, wenn er sich jetzt zu mir herunterbemüht. Oder sollte der Herr, den ich vorhin oben am Fenster gesehen habe, etwa nicht Ihr Mann sein?
    Das wäre der Augenblick gewesen, in dem May hätte nachholen können, was er zuvor verabsäumt hatte. Dem Kerl zu zeigen, daß mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Auch mit Winnetous Silberbüchse hätte er auftreten können, obwohl er die, wie man in Band IX seiner gesammelten Werke nachlesen konnte, einst mit dem Freund begraben hatte. Aber um ruchlosen Grabräubern, die sich immer wieder in der Gegend herumtrieben, ein Motiv zu nehmen, hatte er – seine Leser und Besucher hatten zweifellos Verständnis dafür – das gute Stück später wieder ausgegraben.
    Wahrscheinlich hätte es sogar noch genützt, wenn er unbewaffnet, aber überzeugend aufgetreten wäre. Dort ist die Tür. Ich zähle bis drei. Wenn Sie bis dahin nicht verschwunden sind, packe ich Sie eigenhändig an der Krawatte. – Aber nein. Er hatte nichts dergleichen gesagt oder getan. Statt dessen hatte er sich zu diesem unverschämten Menschen hingesetzt und sein Gemauschel angehört.
    Hören Sie zu, Herr Doktor, wir können die Artikel, auf die Sie Wert legen, an 300 oder mehr deutsche und österreichische Zeitungen verschicken. Und im schönen Dresden lasse ich das Blatt in allen Gastwirtschaften verteilen. Was glauben Sie, wie das wirkt? Das wirkt

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