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Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Titel: Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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ob sie davon nicht lieber den Armen etwas kaufen sollten. Und die Armen, das sind selbstverständlich sie selbst. Aber wir werden freundlich zu ihnen sein, so wie wir zu allen Menschen freundlich sind, weil ja auch Christus in ihnen wohnt, nicht wahr?“, fragte er die Vögel und streichelte ihre Schnäbel.
    Inzwischen waren die beiden Männer herangekommen. „Seid gegrüßt, Pater Meinrad“, sagten sie, „wir haben schon so viel von Euch und Eurer Heiligkeit und Eurer Gastfreundschaft gehört, dass wir uns nun einmal selbst auf den beschwerlichen Weg gemacht haben, um Euren Segen zu erbitten“, und dabei senkten sie scheinbar demütig die Köpfe. „Und das müssen Eure berühmten Raben sein! Nein, wunderschön sind sie!“, sagte der eine und streckte seine Hand aus, um einem der Vögel über das Gefieder zu streicheln. „Kraaah“, machte der und pickte ihm mit aller Kraft in die Hand. „Aua, so ein blödes Biest … äh, ich meine, was für ein schlaues Tier! Ich würde mich ja auch nicht einfach so streicheln lassen.“ Und dann lachte er gekünstelt und lutschte dabei an seiner verletzten Hand. Meinrad glaubte ihnen kein Wort, aber dennoch sagte er: „Ihr seid sicher müde von eurer Wanderung. Kommt doch erst einmal herein und setzt euch zu einem kühlen Krug Wasser. Es ist auch noch etwas Brot da und Käse. Stärkt euch und seid meine Gäste.“ Damit machte er eine einladende Geste und die beiden traten in seine bescheidene Hütte. Die Raben stoben von Meinrads Schulter und setzten sich wieder auf das Dach der Hütte. „Danke, das ist schrecklich freundlich von Euch“, meinte einer der beiden. „Das Einzige, was schrecklich ist, ist deine Verlogenheit“, grummelte Meinrad in seinen Bart, während er das Brot schnitt und den Käse würfelte.
    „Sagt, Pater Meinrad, wir haben gehört, eure Kapelle sei so wunderschön. Sie erstrahle im Glanz von Gold und Silber und sei der Himmelskönigin Maria mehr als würdig“, sagte der Zweite. „Aha, wusste ich’s doch, dass mein Segen ihnen so viel wert ist wie der Dreck unter ihren Fingernägeln“, dachte Meinrad und stellte Käse und Brot auf den Tisch. „Die Menschen haben mir diese Gaben für die Gottesmutter gebracht. Sie wollten ihren Dank dafür ausdrücken, dass Maria ihnen geholfen oder sie vor Bösem bewahrt hat“, sagte Meinrad. „Es sind schöne Dinge, ja, aber sie bedeuten mir nichts“, fügte er hinzu. „Esst, ich hole euch noch frisches Wasser“, sagte er und stand auf, um den Krug zu nehmen und hinaus zur Quelle zu gehen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie einer dem anderen zunickte. Dann sprangen sie auf und zogen unter ihren Hemden große Keulen hervor. Und ehe Meinrad noch „uff“ sagen konnte, schlugen sie ihm beide gleichzeitig auf den Kopf. Wie ein gefällter Baum fiel Meinrad auf den Boden seiner Hütte und blieb blutend und leblos liegen.
    „Los, schnell, das Gold aus der Kapelle!“, rief der eine, und dann stürmten sie aus der Hütte. Doch sie hatten die Schwelle noch nicht übertreten, da fielen die beiden Raben über sie her. „Kraaah! Kraaah!“, riefen sie und hakten nach ihren Händen und Armen. Siesetzten sich ihnen auf den Kopf und pickten nach ihren Augen. „Ihr dämlichen Biester, haut ab!“, riefen die Räuber und fuchtelten wild mit den Armen, um die Vögel zu vertreiben. Die Raben ließen sich aber nicht abschütteln, und so nahmen die beiden irgendwann die Beine in die Hand und flüchteten. Sie rannten, als sei der Teufel hinter ihnen her. Doch wenn es auch nur die Raben waren, so ließen sie keine Möglichkeit aus, sich auf die Räuber zu stürzen und sie zu hacken und zu picken. So weit sie auch rannten, immer waren die Raben über ihnen und um sie herum und krächzten und krahten, dass sie kaum mehr zu Atem kamen. Die beiden Räuber rannten die ganze Strecke bis in die Stadt Zürich. Hier verschwanden sie in einer Wirtschaft und schlugen die Tür hinter sich zu.
    „Uff, endlich geschafft! Die wären wir los!“, sagte der eine völlig außer Atem zum anderen. „Los, Wirt, mach uns zwei Bier, wir sind durstig!“, rief er dem Mann hinter der Theke zu. Der schaute sie mit schiefem Blick an, machte sich aber daran, ihnen ein Bier zu zapfen. Da ging die Tür auf und mit dem nächsten Gast flogen die beiden Raben herein und stürzten sich sofort wieder mit Geschrei und Gezeter auf die beiden Räuber. „Das sind doch Pater Meinrads Raben!“, sagte der Wirt verblüfft. „Was habt ihr ausgefressen, ihr beiden

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