Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
so weitergeht, mit dieser Krankheit, dann möchte ich lieber sterben.“ „Und wenn du jetzt gesund würdest?“, fragte Lucia. „Wie sollte das denn geschehen?“, fragte Eutychia, „ich war schon bei allen Ärzten, die ich nur finden konnte, aber keiner konnte mich heilen.“ „Ich wüsste da noch eine Möglichkeit …“, sagte Lucia. Sie hatte neulich erst wiedervon der heiligen Agathe gehört, deren Grab ganz in der Nähe, in Catania, lag. So viele Menschen waren wieder gesund geworden, nachdem sie dorthin gepilgert waren und zu ihr gebetet hatten. Das wollte Lucia nun auch versuchen.
„Mutter, lass uns nach Catania gehen, zum Grab der heiligen Agathe, sie wird dir helfen“, schlug sie ihr vor. „Aber Lucia, Catania ist sieben Tagesreisen von hier entfernt, in meinem Zustand wahrscheinlich doppelt so viele!“, protestierte Eutychia. „Und wenn ich dich dorthin trage, wir müssen es versuchen!“, erwiderte Lucia. Euthychia überlegte. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Schlimmer kann es nicht mehr werden als jetzt. Also lass es uns versuchen!“
„Da wäre noch etwas …“, Lucia schaute möglichst unschuldig an die Decke. „Was denn?“, fragte Eutychia. „Du musst mir etwas versprechen, Mama“, rückte Lucia heraus. „Wenn wir es bis Catania schaffen und du wieder gesund wirst, dann muss ich den Sohn von Malchus nicht heiraten.“ Eutychia war einfach nur müde. Und eigentlich glaubte sie sowieso nicht daran, dass sie die Pilgerreise überstehen würde, also willigte sie ein.
Wenige Tage später brachen die beiden nach Catania auf. Es wurde eine schrecklich anstrengende Reise, für beide, doch schließlich gelangten sie am Grab der heiligen Agathe an. Dort beteten sie lange und kehrten schließlich erschöpft in einer Pilgerherberge ein. Am nächsten Tag weckte Euthychia Lucia schon bei Tagesanbruch. „Lucia, wach auf!“, flüsterte sie, „du wirst es nicht glauben!“ Lucia rieb sich verschlafen die Augen. „Was ist denn, Mama? Ich habe gerade so schön geträumt! Du warst gesund und bist mit mir im Garten rumgesprungen …“ „Lucia, das war kein Traum!“, rief Euthychia da, „ich fühle, wie die Lebensgeister in meinen Körper zurückkehren. Schau“, und damit sprang sie vors Bett, „ich kann wieder alleine stehen!“ Lucia wusste gar nicht, ob sie weinen oder lachen sollte, aber sie nahm ihre Mutter fest in den Arm und tanzte mit ihr durchs Zimmer. „Du bist geheilt!“, rief sie fassungslos.
Schon am Nachmittag machten sie sich wieder auf den Rückweg nach Syrakus. Mit jedem Schritt schien es Eutychia besser zu gehen, und als sie zu Hause ankamen, sprang sie tatsächlich mit ihrer Tochter durch den Garten.
„Das werde ich dir nie vergessen, meine Tochter“, sagte sie zu Lucia. „Und ich erinnere mich sehr gut, dass ich dir ein Versprechen gegeben habe. Morgen werde ich zu Malchus gehen und die Verlobung auflösen.“ Lucia war überglücklich. „Mama, ich habe noch eine andere Idee“, sagte sie dann. „Lass uns das Geld, das wir bei der Mitgift für meine Hochzeit sparen, in ein Haus stecken, in dem wir die Kranken und Armen pflegen können.“ „Das ist eine gute Idee, meine Sonne“, sagte Euthychia und strich ihrer Tochter liebevoll über die Wange. „So viele Menschen sind krank, so wie ich es war. Und längst nicht alle werden gesund. Ihnen möchte ich ein Zuhause geben. Hier können sie leben – und wenn es so sein muss, dann auch sterben.“
Nach wenigen Monaten war das Haus fertig und füllte sich beinahe schneller als sie schauen konnten mit armen und kranken Menschen. Doch für sie alle blieb Lucia ihre Sonne, die unermüdlich jeden Tag wieder für sie aufging – bis sie die Augen für immer schlossen.
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Namenstag:
13. Dezember
Warum Meinrad alle Menschen gern hatte – auch die falschen …
„Ah, diese Einsamkeit, diese himmlische Ruhe“, dachte Meinrad und lächelte still in die Sonne. „Kraaah!“, krächzte es in diesem Moment vom Dach seiner Hütter, und noch einmal: „Kraaah!“ „Ruhe, da oben, ihr beiden Rabauken! Ich meditiere!“, rief Meinrad. Da kamen zwei Raben herabgesegelt und setzten sich rechts und links neben ihn auf die Bank, die vor seiner Hütte stand. Sie legten die Köpfe schief und schauten ihn aus ihren schwarzen Knopfaugen an. „Na gut, ihr habt recht: Wer kann schon beten, wenn andere Hunger haben. Kommt her, ich habe ein paar feine Körnchen für euch!“, sagte Meinrad und stand auf, um einen kleinen Napf zu
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