Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
helfen, Kaffee auszuschenken und Wechselgeld herauszugeben, während Frankie zur Tür hinausflatterte, um sich sein eigenes Frühstück zu besorgen.
»Ich glaube, das macht das neue Aphrodisiakum-Aroma«, meinte Cindy, die mit Tellern voller Waffeln mit pinkfarbener Eiscreme unterwegs war. »Anscheinend schlägt What-Love-Can-Do voll ein.«
»Ja, wirklich.« Mab blickte sich über die Theke hinweg um und sah, dass mit Ausnahme des Kerls mit der dicken Brille lauter Paare dasaßen und pinkfarbene Eiscreme löffelten, einschließlich Dick und Doof, wenn man sie als Paar sehen wollte. Der Dürre hielt heute Vorträge über Eisbecher.
»Weißt du, was meine Meinung is’, Quentin? Meiner Meinung nach is’ das rote Zeug hier jedem Bananensplit haushoch überlegen. Das is’ meine Meinung.« Der Brillen-Kerl saß währenddessen allein an der Theke und hatte wie üblich seine Zeitung vor sich und allen anderen den Rücken zugewandt, aber Mab bemerkte plötzlich, dass er nicht auf die Zeitung, sondern in den Spiegel hinter der Theke blickte. Er beobachtete den Raum.
»Das muss wohl am Zimt liegen«, meinte Cindy, die ihre Gäste betrachtete. »Würdest du der Lady da hinten nachschenken? Und bitte verschütte dabei etwas auf den Schoß dieses dürren Großmauls, der treibt mich zum Wahnsinn.«
Die Mittagszeit war bereits vorbei, als sich der Gastraum allmählich leerte. Mab ergriff ihre Arbeitstasche, winkte Cindy zu und machte sich auf den Weg zum Wahrsager-Automaten, um die letzten Stunden Tageslicht auszunutzen und mit dem Endanstrich zu beginnen, ein reiner Genuss für sie, denn die Farben waren herrlich, und sie sah deutlich vor sich, wohin jede Farbe gehörte.
So entwickelte sie in den nächsten Tagen einen gewissen Rhythmus. Vormittags half sie Cindy beim Servieren der What-Love-Can-Do -Eiscreme-Portionen, nachmittags strich sie den Wahrsager-Automaten und unterhielt sich dabei mit Frankie, und die Abende und Nächte verbrachte sie mit Joe beim Abendessen und im Bett. Noch nie hatte sie im Bett so viel gelacht, und je mehr sie lachte, umso glücklicher war Joe. »Du bist wirklich ein Clown«, meinte sie, und er erwiderte: »O ja«, kitzelte sie und brachte sie wieder zum Lachen. Er sprach noch immer nicht über die Dämonenjagd, aber er fragte sie interessiert nach ihrem ganzen Leben aus, ihrer Arbeit, ihren Träumen, und sie fühlte sich geschmeichelt. Und auf beunruhigende Weise durchschaut.
Am Abend zuvor hatte er sie angelächelt, eine der Champagnerflöten mit den Knochenhand-Stielen in der Hand, und gefragt: »Und nach dem Auftrag hier, wohin gehst du dann?«
»Es gibt da ein kleines Museum, für das ich Auftragsarbeiten mache«, erklärte Mab. »Die haben gerade ein Dutzend halb kaputte Karussellpferdchen geschenkt bekommen, die ich für sie instand setzen soll, wenn ich hier fertig bin. Das wird bestimmt nett. Und die Bildergalerie, die mir Bilder abkauft, will noch ein paar mehr von mir, und das finde ich …«
»Und was ist mit all den Leuten?«
»Was soll mit ihnen sein?«
»Vermisst du sie nicht, wenn du weggehst?«
»Nein«, antwortete Mab. »Ich hab’s nicht so sehr mit Menschen.«
»Wirst du Cindy nicht vermissen?«, bohrte Joe nach. »Und Glenda? Und mich ?«
Da musste Mab an Cindy denken, wie sie sie über ihre Waffeln hinweg anlächelte, und an Glenda, wie sie ihre Zigarette weggeschnipst und Mab ermahnt hatte, einen Mantel anzuziehen, weil es kalt würde, und dann dieser Mensch mit den dicken Brillengläsern und Joe …
Wenn ich bei der Guardia mitmachen würde, könnte ich mit Frankie in Delphas Airstream-Wohnwagen wohnen, ich könnte Bilder von Dreamland malen und im Park arbeiten und jeden Tag mit Cindy frühstücken und jede Nacht mit Joe verbringen …
Und sie wäre wieder eine »verrückte Brannigan«, die sich ihr Leben lang mit Dämonen herumschlug; was auch sonst bei ihrer verrückten Familie.
»Ja«, antwortete sie, »euch werde ich vermissen. Aber trotzdem gehe ich.«
Ray hingegen würde sie nicht vermissen. Er war bei ihr vorbeigekommen, um ihr sein Testament zu zeigen. »Siehst du«, begann er und schob ihr die Dokumente hin. »Du bist meine einzige Erbin.« – »Das trägt das Datum von gestern«, wandte Mab ein, und Ray blickte ärgerlich drein und betonte: »Jedenfalls bist du meine Erbin .« Dann reichte er ihr ein Blatt Papier. »Und nur um ganz sicherzugehen, solltest du auch ein Testament machen. Ich hab das von meinem Rechtsanwalt aufsetzen lassen.« Mab
Weitere Kostenlose Bücher