Von den Sternen gekuesst
dem Absatz kehrt und lässt sich zurück in sein Zimmer scheuchen.
»Na, wollen wir?«, frage ich, hake mich bei Jean-Baptiste und Gaspard unter und trete mit beiden hinaus in den Hof. Vor dem Tor steht eine Menge aufgereihter Fahrzeuge, Autos und Motorräder, alle mit laufenden Motoren. Zwei Gestalten stehen neben dem Marmorbrunnen, die Körper eng gegeneinandergepresst. Sie küssen sich wild, fast verzweifelt, bis sie sich voneinander lösen und zu Georgia und Arthur werden. Georgia lässt ihn dort zurück und sagt im Vorbeigehen, ohne langsamer zu werden: »Du sorgst besser dafür, dass ihr hier alle heile wieder aufkreuzt, Katie-Bean.« Kaum im Haus angelangt, schlägt sie die Eingangstür mit Schwung hinter sich zu.
E s ist kurz vor vier, als wir die Gegend um den Place Monge erreichen. Vincent parkt den Wagen am Straßenrand und ich steige aus der Beifahrertür, während Arthur, Charlotte und Louis die Rückbank verlassen. Jean-Baptiste und Gaspard halten ganz in der Nähe und schließen sich uns an. Mein Magen krampft sich zusammen, doch je mehr ich mich auf den bevorstehenden Kampf konzentriere, desto entspannter werde ich und allmählich erfüllt mich die Zuversicht, die ich so dringend brauchen werde. Die Tatsache, dass Vincent meine Hand genommen hat und sehr bestimmt drückt, tut ihr Übriges.
Eine Gruppe dunkler Gestalten steht auf der anderen Straßenseite, goldene Glorienscheine erstrahlen um ihre Köpfe. Einer von ihnen hebt zum Gruß die Hand. Wir werden von all den Revenants erwartet, die sich in den vergangen Stunden in Paris eingefunden haben. Insgesamt sind wir nun sechzig Bardia.
Als ich meinen Blick auf den Park mit der römischen Arena richte, brennen dort wenigstens hundert Laser Löcher in den Morgenhimmel. Wir sind in der Unterzahl. Genau wie befürchtet.
Vincent liest es an meinem Gesicht ab. »So viele?«, fragt er.
Ich nicke. »Ja, über hundert, schätze ich. Die meisten im Park, ein paar verteilen sich übers gesamte Viertel.«
Er dreht sich zu mir und legt mir seine Hände ans Gesicht, streift mit beiden Daumen über meine Schläfen. »Du musst das nicht durchziehen«, sagt er so leise, dass die anderen ihn nicht verstehen können. »Wir können ihnen die Schlacht bieten, die sie wollen, ohne dass sich Violettes und dein Weg überhaupt kreuzen. Du hast Bran doch gehört. Geneviève wollte sterben.«
»Es besteht trotzdem die Gefahr, dass sie warten, bis sie volant ist und dann erst ihre Leiche verbrennen. So wie sie es bei dir gemacht haben. Geneviève will frei sein, nicht als wandernde Seele herumirren.«
»Falls es so weit kommen sollte, kann Bran ihre Seele immer noch auflösen.«
»Da hast du natürlich recht«, gebe ich zu. »Aber ich muss mich Violette stellen, Vincent. Ich spüre das. Wir spüren das beide. Und ich würde das lieber jetzt hinter mich bringen – schließlich kann sie uns hier nicht so leicht durch die Lappen gehen –, als den Rest unseres Daseins damit zu verbringen, mich vor dem Moment zu fürchten, an dem sie das nächste Mal auftaucht, um uns möglicherweise mit etwas noch viel Fürchterlicherem zu drohen.«
»Du hast ja recht.« Er küsst mich flüchtig. Entschieden. Wir sehen uns tief in die Augen, während sich immer mehr Bardia um uns formieren.
»Falls ich sterbe …«, setze ich an.
Vincent fällt mir ins Wort. »Kate, hör auf!« Dann seufzt er und lässt leicht die Schultern sinken. Er weiß genauso gut wie ich, wie sinnlos es ist, uns vorzumachen, dass es jeden von uns nach dieser Schlacht noch geben wird. Er schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, wirkt er entschlossen. »Was auch passieren wird, vergiss bitte nie, dass ich dich immer lieben werde«, sagt er. »Selbst dann, wenn sich meine Seele aufgelöst hat und mein Geist ins Universum entlassen wurde … wird noch etwas da sein, das nie aufhören wird, dich zu lieben.«
Ich werde nicht von Vincents Geist besessen sein wie bei dem Kampf gegen Lucien. Und noch immer spüre ich nichts von der Wahnsinnstärke, die die Prophezeiung angedeutet hatte. Trotzdem habe ich plötzlich keine Angst mehr. Denn ich werde Violette mit einer mächtigen, doch unsichtbaren Waffe gegenübertreten: Liebe. Der vollkommenen und bedingungslosen Liebe eines anderen Wesens. Das ist etwas, das Violette nicht besitzt. Damit werde ich die Schlacht zwar nicht für mich entscheiden, aber so habe ich wenigstens schon mal meine Angst besiegt.
»Das ist nicht das Ende, Vincent. Weil wir gewinnen
Weitere Kostenlose Bücher