Von der Erde zum Mond
waren nicht weniger als vierzehn Tage zum Abkühlen erforderlich. Wie lange noch sollte die riesenhafte Columbiade, umgeben von ihren Dampfwirbeln und durch ihre große Hitze geschützt, sich den Blicken ihrer Bewunderer entziehen? Das war schwer zu berechnen.
Die Ungeduld der Mitglieder des Gun-Clubs wurde inzwischen auf eine harte Probe gestellt. Aber es ließ sich nichts dafür thun. Maston hätte sich beinahe aus Hingebung gebraten. Vierzehn Tage nach dem Guß stieg noch ein unendlicher Rauchwirbel zum Himmel empor, und im Umkreis von zweihundert Fuß um Stone’s-Hill verbrannte noch der Boden die Füße.
Tage verflossen, Wochen reiheten sich an Wochen. Kein Mittel, den ungeheuren Cylinder abzukühlen, keine Möglichkeit, nahe zu kommen. Es galt nur abzuwarten, und die Mitglieder des Gun-Clubs mußten sich in Geduld fügen.
»Nun haben wir schon den 10. August«, sagte eines Morgens J. T. Maston. »Keine vier Monate mehr bis zum 1. December. Den inneren Theil der Form herausnehmen, die Seele kalibriren, die Columbiade laden, das Alles muß noch geschehen! Wir werden nicht fertig! Man kann ja noch nicht einmal nahe kommen! Wird die Kanone niemals kalt werden! Da wären wir grausam angeführt!«
Vergeblich suchte man den ungeduldigen Secretär zu beruhigen; Barbicane äußerte nichts, aber sein Schweigen barg eine innere Aufregung. Gänzlich gehemmt sein durch ein Hinderniß, das nur die Zeit besiegen konnte – die Zeit, unter den gegebenen Umständen ein fürchterlicher Feind, – und einem Feind waffenlos Preis gegeben, das war hart für Kriegerseelen!
Inzwischen ließen tägliche Beobachtungen eine Veränderung im Zustand des Bodens wahrnehmen. Um den 15. August war der emporsteigende Dampf bereits bedeutend minder stark und dicht. Einige Tage hernach strömte der Boden nur noch leichte Dünste aus, ein letztes Hauchen des im steinernen Sarg eingeschlossenen Ungeheuers. Nach und nach hörte das Zittern des Bodens auf, und der Kreis des Wärmestoffs ward enger; die ungeduldigsten Zuschauer wagten sich näher; den einen Tag gewannen sie zwei Toisen, den folgenden vier, und am 22. August konnte Barbicane mit seinem Ingenieur und seinen Collegen schon auf dem Streifen-Guß Platz nehmen, welcher den Boden von Stone’s-Hill leicht bedeckte; gewiß ein der Gesundheit zuträglicher Ort, wo man nicht kalte Füße bekam.
»Endlich!« rief der Präsident des Gun-Clubs mit tiefer Befriedigung aus.
Denselben Tag noch begannen wieder die Arbeiten. Sofort schritt man dazu, das Innere der Form herauszunehmen; die Hacke und Spitzhaue, die Werkzeuge zum Bohren waren unausgesetzt thätig; die Thonerde mit dem Sand hatten durch Einwirkung der Wärme eine äußerste Härte erlangt; aber mit Hilfe der Maschinen bewältigte man den Stoff, welcher in der Nähe der Wände noch glühend heiß war; er wurde herausgenommen, und rasch auf Karren mit Dampfkraft fortgeschafft. Dabei war der Eifer bei der Arbeit so groß und förderlich, Barbicane’s Einwirkung so dringend, und seine Beweisgründe in Form von Dollars so wirksam, daß am 3. September jede Spur der Gußform verschwunden war.
Sogleich begann darauf das Ausfeilen; unverzüglich wurden die Maschinen in Bewegung gesetzt, und mächtige Feilen waren eilig beschäftigt, alles Rauhe des Gusses zu beseitigen. Nach einigen Wochen war die innere Fläche der ungeheuren Röhre völlig cylindrisch und die Seele sein polirt.
Endlich, am 22. September, ehe noch ein Jahr seit Barbicane’s Bekanntmachung verflossen, war die enorme Maschine sorgfältig kalibrirt und mit Hilfe genauer Instrumente vollständig vertikal gerichtet, zum Gebrauch fertig. Man hatte nur noch den Mond abzuwarten, konnte aber sicher sein, daß er beim Rendez-vous erscheinen werde.
Maston’s Freude ging über alle Schranken, und er hätte beinahe, indem er in die neunhundert Fuß lange Röhre blickte, einen schrecklichen Fall gethan.
Hätte er sich nicht an dem starken Arm Blomsberry’s festgehalten, so hätte der Secretär des Gun-Clubs, wie ein neuer Herostrat, in den Tiefen der Columbiade seinen Tod gefunden.
Die Kanone war also fertig; an ihrer vollkommenen Herstellung war nicht zu zweifeln; daher erschien auch am 6. October der Kapitän Nicholl bei dem Präsidenten Barbicane, und dieser trug in seine Bücher den Einnahmeposten von zweitausend Dollars ein. Man kann wohl glauben, daß der Kapitän im höchsten Grade erzürnt war, so daß er krank ward. Doch waren noch drei Wetten, zu drei, vier und
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