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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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gefährlich wild. Dann musste man ihn anketten und zwingen, Tierblut zu schlucken, bis er aufhörte zu schreien. Chirurgiker, Kräutermediziner und Mystiker waren herbeigerufen worden, um ihn zu heilen, doch keiner war erfolgreich gewesen.
    Falls Ravenna in Alex einen Verbündeten gefunden hatte, falls sie einen Weg gefunden hatte, ihn zur Ruhe zu bringen, wenn nicht gar zu heilen, dann war es offensichtlich, wie sie es in den Palast geschafft hatte. Ein Sohn, der keine vorteilhafte Partie für das Königshaus machen konnte – oder noch viel schlimmer, ein Sohn, der nicht einmal in der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte und vielleicht Journalisten angreifen würde –, war eine Belastung und eine Tragödie. Meine Mutter hatte ihn erst verwöhnt, dann fortgeschickt, dann in ihrer Nähe behalten wie eine Bludstute mit Maulkorb und dabei jeden Tag aufs Neue gehofft, dass sich eine Lösung auftun würde.
    Wenn das, was Casper mir erzählt und ich in den Zeitungen gelesen hatte, richtig war, hatte Ravenna einen Weg gefunden, Alex zu bändigen. Und das war ein weiteres Problem bei meinem Plan, sie zu töten. Was, wenn sie die Einzige war, die das Geheimnis eines normalen Lebens für meinen Bruder kannte?
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Ahna? Du bist ja meilenweit weg. Was ist los?«
    Ich hatte die Hände zu Fäusten geballt und umklammerte meine Schnürsenkel, die schon dreifach zugeknotet waren. Ich ließ die Schnüre wieder los, stand auf und bewegte die Finger, um wieder Blud durch sie fließen zu lassen.
    »Ich dachte gerade an Frostland. An meinen Bruder. Es gibt einfach so viele Unwägbarkeiten.«
    Er tätschelte mich am Kinn, und ich wandte verärgert das Gesicht ab. »Eine Seherin sagte mir einst, dass es für mich ein glücklich bis ans Lebensende gebe. Ich denke, das heißt, dass wir erfolgreich sein werden.«
    »Wie ich bereits sagte – ich glaube nicht an Vorzeichen.« Ich hob meine Tasche auf und blieb an der Tür stehen; so ganz war ich noch nicht bereit, die Behaglichkeit unseres kleinen Raubvogelnestes zu verlassen. »Man hat mich gelehrt zu glauben, dass Wahrsagen die niedrigste Form der Täuschung sei, bei der einem jemand sagt, was man hören will.«
    »Ich hätte auch einst so gedacht, wenn die Wahrsagerin mir nicht das Herz gebrochen hätte. Alles, was sie sagte, ist bisher eingetroffen. Warum sollte der gute Teil nicht ebenso wahr sein wie der schlechte?«
    Er kam so nahe auf mich zu, dass sich mir die Nackenhärchen aufgestellt hätten, wäre er jemand anders gewesen. Doch stattdessen verspürte ich ein merkwürdiges Flattern durch meinen Körper laufen. Es erinnerte mich daran, wie mein Vater immer von seiner Lieblingswolfshündin begrüßt worden war, mit wedelndem Schwanz, als sei sie so voller Freude, dass sie sie wie Wasser aus dem Fell schütteln könne. Ich legte den Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. War das Lust? Oder Liebe? Oder war es nur Kameradschaft, vermischt mit körperlicher Begierde? Bevor ich weiter darüber nachsinnen konnte, streiften seine Lippen über meine, warm und flüchtig, wie eine Sommerbrise.
    War noch Zeit, diese Gefühle völlig zu begreifen, bis ich vor Ravenna stand und die Zukunft meines ganzen Landes von mir abhing? Ich wusste es einfach nicht. Vielleicht würde sie einen von uns töten, oder uns beide, und ich würde nie weiter darüber nachdenken müssen. Einem urplötzlichen Drang folgend, beugte ich mich vor, um ihn ebenfalls zu küssen, meine Lippen fest auf seine zu drücken.
    »Los, übernehmen wir dieses arschkalte Land«, meinte er und zeigte lächelnd seine Grübchen. Wir zogen die Kapuzen unserer mährischen Verkleidung über und verschwanden in der Menge des frühen Morgens; zwei Bludleute, die fast so etwas wie Liebe miteinander teilten.

31.
    A ls wir wieder im Pinkiesalon ankamen, musterte Verusha Casper von oben bis unten durch ihr Monokel und nickte. Das war das Äußerste, was an Gratulation von ihr zu erwarten war. Was Keen anging, so war sie nach ihrer Behandlung ausgebüchst und seitdem nicht mehr gesehen worden. Casper machte sich Sorgen um sie, besonders, da er sie bezüglich unseres makabren Ausflugs nicht hatte vorwarnen können. Doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass es vergebliche Liebesmühe wäre, nach ihr zu suchen. Auch ich machte mir Sorgen um sie, und mir wurde klar, dass wir eine Ablenkung brauchten, um nicht verrückt zu werden, während wir auf den morgigen Tag und den Ball des Zuckerschnees

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