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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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warteten. Bald konnte ich meine Pläne in die Tat umsetzen, doch für die nächsten paar Stunden gab es nichts zu tun, als sich Sorgen zu machen, und das würde Verusha mit Sicherheit nicht dulden. Ich borgte mir ein sauberes Kleid von Verushas Schwiegertochter und kehrte in den Salon zurück, um dort eine vollkommen neue Version von Casper vorzufinden.
    Als Pinkie war Casper hier eine große Last für mich gewesen, und das geringste falsche Wort oder eine falsche Geste seinerseits mir gegenüber – oder gegenüber irgendwem auf der Straße – hätte damit enden können, dass er verhaftet oder gezüchtigt wurde. Doch angemessen gekleidet, mit gekämmtem Haar und einer lose hängenden Krawatte, war er ein passender Begleiter. Ich wollte, dass er meine Heimat mit den Augen eines Bludmannes sah, und so verließen wir den Pinkiesalon Arm in Arm, als gäbe es für uns keinerlei Sorgen.
    Zuerst ging ich mit ihm in den Park, wo die Ballerinas übten, und wir kamen gerade richtig zu ihrer vormittäglichen Zugabe, als sie sich der Sonne entgegenstreckten wie strahlende Blumen. Casper schlenderte zu dem Quartett hinüber, das in voller Paradeuniform auf dem Podium spielte, und betrachtete die Instrumente mit höflichem Lächeln. Ich konnte die Gedankengänge in seinem Blick sehen, als ihm klar wurde, dass Bludmusiker schneller spielen konnten als Pinkies, und dass ihre Bewegungen exakter und komplexer waren. Seine behandschuhten Finger trommelten leicht gegen seine Hosenbeine, und ich grinste vor mich hin. Ich konnte es nicht erwarten, ihn an einem Cembalo zu sehen, während er die wahre Bandbreite seines Könnens entdeckte.
    Danach spazierten wir in den Garten mit Zierbüschen und unterhielten uns über die unglaublichen Formen, die in die Büsche geschnitten waren. Er erkannte mehrere der berühmteren Statuen wieder, nannte mir leise die Namen der Künstler, die sie in seiner Welt geschaffen hatten, und erklärte mir die feinen Unterschiede zu den Exemplaren unserer Welt – wie zum Beispiel die Tatsache, dass eine sich zurücklehnende Nackte in seiner Welt nicht dabei war, einem Tiger das Genick zu brechen, sondern einfach nur dalag.
    Im Museum für Naturkunde bewunderte er die ausgestopften Exponate von Tieren, die er nie lebendig gesehen hatte. Der Dodo, der Vogel Roch, die Meeresziegen und ganz besonders das Einhorn zogen ihn wie magisch an, und ich stellte fest, dass ich sein Erstaunen genoss. Ich hatte nicht viel Zeit in meinem Leben mit Kindern verbracht, und das Gefühl das ich jetzt hatte, musste so sein wie bei Eltern, die ein junges Geschöpf betrachteten, das ganz überwältigt war von den Möglichkeiten der großen weiten Welt. Als er mit großen Augen unter dem vergilbten Skelett eines Drachens stand, musste ich ganz unverblümt lachen.
    »Aber es ist riesig!« Er breitete die Arme aus, wirkte aber neben der Spannweite des Drachen immer noch winzig.
    »Ich habe schon größere gesehen«, sagte ich grinsend.
    Im Museum der Künste wurde er ganz still, und ihm stiegen Tränen in die Augen, als er vor einem merkwürdigen kleinen Gemälde stand, dem ich nie viel Beachtung geschenkt hatte. Die arme Frau hatte keine Augenbrauen, aber ihr Lächeln war ziemlich mysteriös.
    »Ich wollte es immer sehen, in meiner Welt, Aber ich bin nie dazu gekommen. Ich hatte für den nächsten Sommer eine Reise nach Paris geplant, und die Mona Lisa war ganz oben auf meiner Liste.«
    Er näherte sich dem Bild, und die Aufsicht in der Ecke räusperte sich und wedelte mahnend mit einem Finger. Ich packte ihn am Arm und zog ihn mit mir, bevor man uns zu genau ansah. So verändert ich auch aussah, das hier war meine Heimat, und erkannt zu werden war eine sehr reale Gefahr. Es war leichtsinnig von mir gewesen, zuzulassen, dass er Aufmerksamkeit auf uns lenkte.
    »Wenn ich Zarina bin«, flüsterte ich, nahe zu ihm geneigt, »werde ich das Museum schließen lassen und die Wachen nach Hause schicken. Wenn du es wünschst, kannst du es dann ablecken, um die Farbe zu kosten.«
    Er schüttelte den Kopf, als sei ich albern und hinreißend zugleich, ein Kind, das so tut als ob. Zorn wallte in mir auf. Glaubte er, ich würde Lügen erzählen? Ich umklammerte seinen Arm noch fester und zog ihn den langen Korridor entlang unter die riesigen, glitzernden Kristallkronleuchter, die wie Kraken geformt waren. Wir gingen eine Wendeltreppe hinauf, und unsere Stiefel klangen gedämpft durch dicke gewebte Teppiche mit Bildern von Schneeflocken und Eiszapfen.

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