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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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zumindest hab ich das nicht vor.« Ein Schreck durchfuhr mich. »Meine Großeltern! Die sind bestimmt schon krank vor Sorge! Ich war die ganze Nacht nicht zu Hause!«
    »Nein, mach dir keinen Kopf«, sagte sie lächelnd. »Wir haben ihnen von deinem Handy aus eine Nachricht geschrieben, dass du bei einer Freundin übernachtest.«
    Meine Erleichterung war nur von kurzer Dauer. »Das heißt, ich muss hierbleiben? Ich bin eure Gefangene?«
    »Das klingt ein bisschen zu melodramatisch«, sagte sie.
    Ihre Augen sahen so aus, als wären sie daran gewöhnt, viel zu sehen und wenig preiszugeben. Es waren die Augen einer alten Frau mit dem Geist eines jungen Mädchens. »Du hast etwas gesehen, das du nicht hättest sehen dürfen. Jetzt müssen wir überlegen, wie wir mit der Situation umgehen — so eine Art Schadensbegrenzung eben. Du hast schließlich selbst in den Apfel gebissen, Kate. Aber bei einer solch schönen Schlange kann ich dir das nicht mal verdenken.«
    »Ihr werdet mir also nichts antun?«, fragte ich.
    »Diese Frage kannst du dir selbst beantworten«, sagte sie und legte mir ihre Fingerspitzen auf den Arm. Sofort durchströmte mich eine friedliche Gelassenheit, die von dort auszugehen schien, wo sie mich berührte.
    »Was machst du da?«, fragte ich und starrte auf den Punkt, wo ihre Finger ruhten. Wäre ich nicht so entspannt gewesen, wäre ich sicher aufgesprungen, weil ich diese Geste so verwirrend und seltsam fand. Sie sagte kein Wort, aber ihre Mundwinkel bogen sich leicht nach oben. Dann nahm sie ihre Hand weg.
    Ich sah ihr fest in die Augen. »Und auch von den anderen tut mir keiner was?«
    »Dafür sorge ich schon.«
    Es klopfte an der Tür. Charlotte stand auf. »Es ist so weit.«
    Sie hielt ihren Arm so, dass ich mich bei ihr unterhaken konnte. Mein Blick fiel wieder auf den Anhänger und ich zögerte kurz.
    »Was ist los?«, fragte sie und berührte die silberne Träne.
    Mein Gesicht musste wie ein offenes Buch gewirkt haben, denn sie sagte: »Vincent hat mir erzählt, dass du diese Kette ausgesucht hast. Ich bin froh, dass du ihm geholfen hast. Man weiß nie, auf was für Geschenkideen die Jungs so kommen.« Sie lächelte und drückte meine Hand freundschaftlich. »Vincent ist wie ein Bruder, Kate. Da läuft absolut nichts zwischen uns ... Was uns verbindet, sind Jahre voller langweiliger Geburtstagsgeschenke — und du hast meine Pechsträhne beendet. Dieses Jahr habe ich endlich mal etwas anderes von ihm bekommen als seine aktuelle Lieblings-CD.«
    Sie lachte und die Eifersucht, die mich wie unzählige Nadeln gepiekt hatte, ebbte ein wenig ab. Tatsächlich redete sie von ihm, wie man von einem Bruder spricht. Ich hakte mich bei ihr ein.
    Als wir in Richtung Tür gingen, fiel mir auf, dass an den Wänden ihres Zimmers eine ähnlich wilde Sammlung von Fotografien hing wie bei Vincent. Nur befanden sich diese Porträtaufnahmen in schön angemalten Holz- oder Emaillerahmen, die an Bändern hingen.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte ich.
    Lässig ließ sie ihren Blick über die Bilder gleiten. Während wir auf die Tür zusteuerten, sagte sie: »Das? Tja, liebe Kate, auch wenn ich mich nicht damit rühmen kann, dein Leben gerettet zu haben — diese Leute habe ich gerettet.«

 
    C harlotte führte mich ins Erdgeschoss und durch den Dienstbotengang zu Vincents Zimmer. Sie klopfte an, trat, ohne auf Antwort zu warten, ein und blieb erst an Vincents Bett stehen. Meine Schritte wurden langsamer, als ich sah, dass er aufrecht saß, gestützt von ein paar Kissen. Er wirkte sehr schwach und war blass wie ein Laken. Aber er lebte. Mein Herz hüpfte in meiner Brust — sowohl vor Freude darüber, dass er lebte, als auch aus Furcht. Wie war das alles nur möglich?
    »Vincent?«, fragte ich vorsichtig. »Bist du das?« Das klang irgendwie bescheuert. Er sah aus wie immer, aber vielleicht war er ja besessen von ... Keine Ahnung. Von einem Alien oder so was. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich bereit war, alles zu glauben.
    Er lächelte und sofort wusste ich, dass er es war.
    »Du bist nicht ... aber du warst tot!« Ich musste diese absurden Worte richtig herauspressen.
    »Und wenn ich dir sage, dass ich einfach nur sehr fest schlafe?« Er sprach leise, langsam und offensichtlich mit großer Anstrengung.
    »Vincent, du warst tot. Ich hab dich gesehen. Ich hab dich berührt. Ich weiß ...« Meine Augen füllten sich mit Tränen, als mich die Erinnerung an meine Eltern überfiel, wie sie aufgebahrt in der

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