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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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überschlug die Zahlen schnell im Kopf. Jules hatte erzählt, er war Ende des neunzehnten Jahrhunderts geboren worden. Das hieß, Vincent war irgendwann in den 1920ern zur Welt gekommen. Ich lächelte, während ich mir diese Information einprägte. Wenn mir Vincent schon nichts über sich erzählte, dann konnte ich auf diese Weise vielleicht selbst ein paar Dinge herausfinden.
    Wir verließen die U-Bahn in der Nähe des gewaltigen Friedhofs Montparnasse und liefen eine Fußgängerzone entlang, an der sich zu beiden Seiten unzählige Geschäfte und Cafés aneinanderreihten. Wir blieben vor einem Restaurant stehen, vor dem schon mindestens zwanzig Gäste warteten. »Das hier ist es!«, rief Georgia begeistert.
    »Georgia, guck doch mal, wie viele Leute da anstehen. Das dauert bestimmt ewig, bis wir einen Tisch bekommen.«
    »Überlass das mal deiner großen Schwester«, sagte sie. »Ein Freund von mir arbeitet hier. Ich wette, ich kann uns sofort einen Tisch organisieren.«
    »Na, dann mach mal. Wir warten da drüben auf dich«, sagte ich und ging mit Vincent und Ambrose auf die andere Straßenseite, weg von den vielen Menschen. Wir lehnten uns gegen das Schaufenster eines geschlossenen Ladens und beobachteten Georgia dabei, wie sie sich durch die Menschenmenge drängelte.
    »Du hast sie wirklich sehr treffend beschrieben.« Vincent lächelte, als er mir seinen Arm um die Schultern legte und mich zärtlich drückte.
    »Meine Schwester, eine Nummer für sich«, sagte ich und genoss die Umarmung.
    Ambrose stand auf der anderen Seite, sah zu dem Gedränge hinüber und nickte, als liefe Musik in seinem Kopf. Plötzlich erstarrte er und sah Vincent ernst an. »Vin, Jules sagt, unser Mann ist hier in der Gegend. Nur ein paar Straßen weiter.«
    »Weiß er, dass wir hier sind?«, fragte Vincent.
    Ambrose schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    Vincent nahm seinen Arm von meiner Schulter. »Kate, wir müssen hier weg. Sofort.«
    »Und was ist mit Georgia?«, fragte ich bestürzt und warf einen Blick zu dem Restaurant. Durch die Glastür konnte ich erkennen, wie sie gerade mit einer Kellnerin sprach.
    »Ich hol sie«, sagte Vincent und quetschte sich durch die Menschenmasse.
    Genau in diesem Moment rempelten zwei Männer Ambrose grob an, sodass er mit voller Wucht gegen das Schaufenster geschleudert wurde. Er stöhnte laut auf und versuchte, einen von ihnen zu erwischen, doch sie wichen ihm aus und entfernten sich schnellen Schritts, während Ambrose in sich zusammensackte.
    »He, stehen bleiben!«, schrie ich ihnen hinterher, doch sie waren bereits um eine Ecke gebogen. »Festhalten! Haltet sie doch fest!«, brüllte ich die vielen Passanten an. Ein paar drehten sich um und blickten in die Richtung, in die ich hektisch zeigte, doch die Männer waren längst verschwunden. Das Ganze war so schnell passiert, dass es niemand mitbekommen hatte.
    »Vincent!«, schrie ich zur anderen Straßenseite hinüber. Vincent drehte sich um. Als er sah, wie aufgelöst ich war, bahnte er sich sofort wieder einen Weg zu mir zurück.
    »Ambrose, ist alles in Ordnung?«, fragte ich und ging neben ihm in die Hocke. »Hat dieser Typ dir ...«, setzte ich an, doch als ich sah, dass sein Hemd vom Hals bis zur Brust eingerissen war und sich ein immer größerer Blutfleck darauf ausbreitete, erstarben mir die Worte auf den Lippen. Er bewegte sich nicht.
    Oh, bitte, lass ihn nicht tot sein, flehte ich innerlich.
    Im vergangenen Jahr hatte ich mehr Gewalt gesehen als je zuvor. Ich fragte mich — und das nicht zum ersten Mal: Warum ich? Jugendliche sollten nicht so häufig mit dem Tod konfrontiert werden, dachte ich, während Panik in mir aufstieg. Ich kniete mich neben seinen reglosen Körper. »Ambrose, hörst du mich?«
    Jemand kam zu uns herüber. »Ist mit ihm alles in Ordnung?«
    Da fing Ambrose an zu zucken. Er stützte sich auf beide Arme und kam langsam in den Stand. Dabei schloss er seine Jacke, um das Blut auf seinem Hemd zu verbergen, obwohl sich schon eine recht große Lache auf dem Boden gebildet hatte. »Mein Gott, Ambrose, was ist denn passiert?«, fragte ich. Ich bot ihm meine Hilfe an und er stützte sich schwer auf mich.
    »Nicht Ambrose, ich bin’s, Jules.« Die Worte kamen zwar aus Ambroses Mund, doch seine Augen blickten starr geradeaus.
    »Was?«, fragte ich verwirrt.
    Endlich war Vincent wieder bei uns. »Ambrose ...«, setzte ich zu einer Erklärung an, »jemand ist mit dem Messer auf ihn losgegangen oder was weiß ich.

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