Von dir verfuehrt
warf und lachte. „Also, mein Bruder, Jan …“, sagte sie den Namen merkwürdig betonend, „hat mir erzählt, du seist die Hannah, die mit uns zusammen BWL studiert hat. Hier in Köln.“
Als mir klar wurde, wen sie meinte, schoss mir die Röte ins Gesicht. Zum einen, weil ich aus ihren Anspielungen schloss, dass sie über gewisse Details dieses Dates Bescheid wusste. Und zum anderen, weil sie wahrscheinlich davon ausging, dass ich die Männer wie Unterhosen wechselte. „Was genau willst du denn jetzt von mir?“, fragte ich gereizt, weil ich es hasste, von Menschen, die mich nicht kannten, in eine Schublade gesteckt zu werden. Mein Tonfall war schärfer, als es bei einem Gast angebracht war. Aber das war mir egal.
„T-tut mir l eid … Ich ähm … wollte dir wirklich nicht zu nahe treten“, stammelte sie nun verunsichert. „Es ist nur so, dass ich dir meinen Abschluss zu verdanken habe … Du hast mich bei der der Abschlussklausur - es war mein letzter Versuch - zwei Aufgaben abschreiben lassen. Und ich hatte nie Gelegenheit mich dafür zu bedanken. Deshalb bin ich hier,… um danke zu sagen.“ Sie sah mich abwartend an. „Falls du Hannah bist“, fuhr sie zögerlich fort und lächelte verlegen.
Tatsächlich kam die Erinnerung zurück. Als sei es gestern gewesen, hörte ich sie über den Aufgaben leise vor sich hin schluchzen. Aus Mitleid hatte ich ihr meine Lösungen rübergeschoben und sie abschreiben lassen. „Gern geschehen“, gab ich mich zu erkennen und lächelte.
„Du bist es also?“, sicherte sie sich ab und strahlte mich mit ihren grünen Augen an.
Ich bejahte nickend, mit der Folge, dass sie ihre Arme um mich schlang u nd sich tausend Mal bedankte.
„Wieso warst du eigentlich nicht auf der Abschlussfeier?“, erkundigte sie sich bei einem zweiten Cappuccino, den sie am Tresen trank.
„Hatte keine Lust “, antwortete ich nicht gerade gesprächsfördernd. Sie schien dies zu merken und löffelte stumm den Milchschaum aus ihrer Tasse.
„Ist das dein Café?“, wag te sie einen erneuten Vorstoß.
Auch diesen schmetterte ic h mit einem knappen Nicken ab, womit ich sie endgültig zum Schweigen brachte. Beinahe beleidigt, presste sie ihre mit Lipgloss eingeschmierten Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Sekündlich nippte sie an ihrem Getränk, das noch viel zu heiß war, um getrunken zu werden. Offenbar wollte sie so schnell wie möglich weg.
„Was bekommst du?“, fragte sie leicht unterkühlt und platzierte die halbvolle Tasse klappernd auf dem Untersetzter.
„War was nicht in Ordnung?“, deutete ich auf den zur Hälfte getrunkenen Cappuccino, ob wohl ich den Grund dafür ahnte.
„Alles gut. Aber meine Mittagsp ause ist um. Ich muss weiter.“
Mist ! Die würde ich hier wohl nie wieder sehen, dank meiner überaus freundlichen Art. Ich zog die Rechnung und legte sie ihr vor. „Die Cappuccini gehen aufs Haus“, sagte ich mit einem versöhnlichen Lächeln, weil mir mein Verhalten ein wenig leid tat. Und … weil ich unbedingt Gäste brauchte, die regelmäßig ihre Mittagspausen bei mir verbrachten.
Sie sah mich skeptisch an. Schien meinem Lächeln nicht über den Weg zu trauen. Schließlich erwiderte sie es, bestand aber darauf die Cappuccini selbst zu zahlen.
Meine Befürchtung schien sich zu bewahrheiten. Es war Donnerstagabend. Vivien hatte sich seit Montag nicht mehr blicken lassen. Und ich konnte ihr nicht verübeln, dass sie es vorzog, ihre Mittagspausen bei der Konkurrenz zu verbringen. Schade nur, dass sie nicht die Einzige war, die sich gegen mein Café entschied. Solange ich die fehlenden Einnahmen mit Omas Erbe auffangen konnte, hielten sich meine Sorgen in Grenzen. Meinen Berechnungen nach würde ich bis Februar nächsten Jahres damit auskommen. Bis dahin musste ich unbedingt an meiner Gastfreundschaft arbeiten.
Ich genehmigte mir, wie jeden Abend bevor ich den Laden dicht machte, ein halbes Weinglas Montepulciano, als unerwartet die Tür aufschwang. Gefolgt von einem kühlen Windzug stöckelten eine Rothaarige und die blonde Begleitung von Vivien ins Café. Sie waren ziemlich aufgebrezelt und für die kalte Jahreszeit eindeutig zu luftig gekleidet. Beide ließen den Blick durch den leeren Raum schweifen und verzogen ihre überschminkten Gesichter. „Bist du sicher, dass Vivi diese Bar meinte?“, fragte die Rothaarige leicht entnervt.
„Ja, aber frag mich nicht warum. Hier is‘ ja gar nix los“, entgegnete die Blondine überheblich und
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