Von dir verfuehrt
ihrer langen Haare wich einem für ihren dunklen Hauttyp, viel zu hellen blond. Ihre feinen Gesichtszüge verbargen sich hinter einer dicken Schicht aus Make-up, und sie hatte sich die Nase richten lassen. Offenbar hatte ich sie nicht davon überzeugen können, zu ihrem kleinen Makel zu stehen. Nun stand sie vor mir, mit einem Lächeln so aufgesetzt, dass Schauspielschulen am Broadway sich um sie reißen würden. Doch ich kannte sie und nahm es ihr nicht ab. „Ach ja?“ Wut kochte in mir hoch und ich hatte schon viel zu lange geschwiegen. „Wofür willst du dich denn zuerst entschuldigen? Dafür, dass du mir von heute auf morgen die Freundschaft gekündigt hast oder dafür, dass du in Kürze Stefan heiratest.“ Ich widerstand dem Bedürfnis sie anzuschreien, da David oben auf mich wartete. Mit der Zeit hatte sich so viel Zorn und Enttäuschung angestaut, dass Worte allein nicht ausreichten, um mir Erleichterung zu verschaffen. In mir brodelte es gewaltig. Mir wurde so heiß, dass ich glaubte, Feuer speien zu können. Nadine hingegen strich unbeteiligt über den Kragen ihres Pelzmantels. Ja, sie trug totes Tier und sah mich gelangweilt an, was mich nur noch wütender machte.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen, weil … na ja, bei unserer letzten Begegnung warst du so schnell weg, und wir kamen gar nicht dazu, dich z u unserer Hochzeit einzuladen.“
Ich presste die Lippen fest aufeinander, um zu verhindern, dass mein Mund aufklappte. Am liebsten hätte ich mir einen der Stühle geschnappt, um ihr eins überzuziehen. Sie war gekommen, um mir ihr Glück aufs Brot zu schmieren und dafür zu sorgen, dass ich mir jeden ungenießbaren Bissen einverleibte. Obwohl ich innerlich zusammensackte, zwang ich mich dazu, die Schultern zu straffen. Die Wunden die ihre Worte aufrissen ignorierte ich, ebenso wie den stechenden Schmerz, der mich durchfuhr.
„Eine Karte hätte genügt“, gab ich zynisch zurück und würgte den brennende n Kloß in meinem Hals herunter.
„Ich weiß“, sie griff nach der Klinke, „aber ich war gerade in der Nähe.“ Ein selbstgefälliges Lächeln breitete sich in ihrem runden Gesicht aus. Bevor sie die Tür öffnete, ließ sie ihren Blick durch mein Café schweifen und rümpfte abfällig die Nase. Sie hatte vor, mich hier stehen zu lassen, doch diesen Abgang gönnte ich ihr ni cht.
„Nadine?“ Sie fuhr herum. „Richte Stefan doch bitte aus, dass ich gut angekommen bin. Er hatte mich nach der Begegnung in Dortmund angerufen, aber die Leitung war plötzlich tot.“
Das saß. Sie wurde trotz der Spachtelmasse kreidebleich und ihr boshaftes Lächeln fror ein. Die Tür fiel ins Schloss, aber Nadine war noch da. Sie trat näher und schien mich mit ihren Augen erdolchen zu wollen. Mein Herz pumpte Entschlossenheit durch meine Adern. Und ich schwor, dagegen zu halten, egal was sie mir gleich an den Kopf werfen würde.
„Ich hab gesehen, wie du versucht hast, dich an ihn ranzumachen.“ Daher wehte also der Wind. In Wahrheit war sie gekommen um ihr Territorium abzustecken. „Und bei jeder anderen Frau“, fuhr sie fort, „würde ich mir Sorgen machen. Nicht bei dir, Hannah. Stefan hatte immer nur Mitleid für das arme Mädchen aus dem Heim. Ich kenne ihn viel länger als du, und er hat‘s mir selbst gesagt. Er hat dich nie wirklich gewollt, und das tut er auch jetzt nicht. Genauso wenig wie seine Familie dich wollte. Nicht mal deine eigene Mutter hat dich ertragen. Irgendwie scheint sich dieses Muster durch dein gesamtes erbärmliches Dasein zu ziehen. Niemand will dich.“ Ihre Augen quollen über vor Hass.
Mein Mund öffnete sich, aber es kam kein Wort heraus, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Wie sehr musste sie mich verabscheuen, um den traurigsten Tag meines Lebens und mein Vertrauen, wie eine Waffe auf mich zu richten und mit dem Lauf auf meiner Brust, den Abzug zu drücken? Fassungslos starrte ich sie an. Ihre Gestalt verschwamm, da Tränen meine Sicht trübten. Mit geballten Fäusten versuchte ich das Zittern meiner Hände zu verbergen. Der Kloß in meinem Hals war zurückgekehrt. Ich schluckte und schluckte, aber ich bekam ihn nicht herunter. Stattdessen wuchs er zu einem Tumor heran, der mir die Luft zum Atmen nahm.
Die Tür fiel erneut ins Schloss und ich hörte die Stimme meiner Mama.
„Ich h ab eine Überraschung für dich.“
Mami holt einen Kasten mit Bundstiften aus einer Tüte und lächelt. Es sind die aus dem Fernsehen mit Glitzer. Die hab ich mir zu
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