Von jetzt auf gleich
vorher gekannt. Hatte ich irgendwelche Gefühle für Todd?«
»Du hast ihn geliebt«, sagte sie. »Wie einen Bruder.«
»Das ist genau das, was ich gesagt habe!«, erklärte ich. »Ich fühle mich schrecklich.«
»Er wird verletzt sein und vielleicht wütend. Darauf musst du vorbereitet sein, aber denk auch daran, dass du nicht für seine Gefühle verantwortlich bist.«
»Aber«, erwiderte ich, »ein bisschen bin ich das.«
»Ach ja?«, fragte sie. »Hältst du dich für so einflussreich?«
»Nicht einflussreich – ich …«
»Zieh dir das nicht an. Menschen können Gefühle entwickeln, weil du dich auf eine bestimmte Art und Weise verhältst, aber du veranlasst sie nicht, so zu fühlen – das machen sie selbst. Alles, was du tun kannst, ist aufrichtig zu sein und die Menschen mit der Freundlichkeit zu behandeln, die sie verdienen. Ich bin sicher, dass du nicht gemein zu ihm warst.«
»Nein, das war ich nicht.«
»Vielleicht gibst du ihm einfach Raum zum Atmen. Erlaube ihm zu fühlen, was auch immer er fühlt, und lass ihn den nächsten Schritt machen, um eure Freundschaft wiederherzustellen.«
Ich schaute auf ihren Bauch, um festzustellen, ob man schon etwas sah, aber das konnte man nicht. Nachdem wir das Todd-Dilemma abgehandelt hatten, merkte ich, dass es nichts gab, über das ich hätte reden können, und sie wusste auch nicht, was sie sagen sollte, also schwiegen wir beide.
»Möchtest du einen Tee?«, fragte Cat.
»Nein, ich sollte jetzt gehen.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Ich hatte einen langen Tag, und ich muss noch für alle Weihnachtsgeschenke kaufen. Ich habe selbstverständlich nicht die leiseste Ahnung, was sie mögen oder sich wünschen, aber ich muss ihnen etwas besorgen.«
»Es ist der Wille, der zählt«, sagte sie, als ich meinen Mantel anzog. Auf dem Weg durch die Lobby ihres Hauses klang mir der Satz noch in den Ohren: ›Es ist der Wille, der zählt.‹
Albern und frech wie ich mich fühlte, entschied ich, alle meine Weihnachtsgeschenke in einem Drogeriemarkt zu besorgen. Was wusste ich schon? Ich war einfach die Tochter und Schwester ohne Gedächtnis, deshalb würden sie mir meine Geschmacksverirrungen wohl verzeihen.
22. Ein Rebhuhn, wo kein Rebhuhn hingehörte
Weil ich es allen recht machen wollte, packte mich immer eine gewisse Panik, wenn ich für meine Familie Weihnachtsgeschenke kaufen musste, und schon beim bloßen Gedanken daran bekam ich feuchte Hände. Aber als ich diesmal durch die Gänge des bekanntesten Drogeriemarkts von New York schlenderte, hatte ich richtig Spaß daran. Ich konnte es ja nicht besser wissen, also kaufte ich ihnen, was mir gerade in den Sinn kam.
Bei meinem Dad war es leicht. In Gang zwei entdeckte ich ein gummibezogenes, wasserfestes Blitzlichtgerät, und es schien mir das perfekte Dad-Geschenk zu sein. Für meine Mom ging ich in die Kosmetikabteilung. Eine große Flasche Parfüm, ein Kosmetikset in einer Edelstahlbox und ein Gesichtspeeling, weil ich ja immerhin wusste, wie wichtig ihr ein gutes Peeling war.
Bei Samantha war es ein bisschen schwierig. Was schenkte man einem Mädchen, das alles hatte und nichts wirklich brauchte? Dem Mädchen, das einem das ganze Leben lang das Gefühl gab, man sei weniger wert? Dem Mädchen, das so sehr damit beschäftigt war, heiße Luft zu blasen, und ständig versuchte, einen aus dem Konzept zu bringen? Dann fiel es mir ein – einen Föhn. Damit konnte sie den lieben langen Tag heiße Luft durch die Gegend blasen. Aber nicht so ein teures 200-Dollar-Modell wie das, das Lydia angeblich benutzte, obwohl ihr Haar immer noch aussah wie ein Mohairpullover und – wenn ich mich nicht irrte – ihr teures Ding von Anfang an defekt war. Nein, Sam würde einen Föhn für 15,99 Dollar bekommen.
Ich nahm noch eine Rolle Geschenkpapier und eine Einwegkamera mit, damit ich die Gesichter beim Auspacken der Geschenke festhalten konnte. Als ich wieder zu Hause war, packte ich alles schnell ein und stieg dann in den Zug, um mit meiner Familie Weihnachten zu feiern. Ich hatte meine Übernachtungstasche für genau eine Nacht gepackt. Das war das Längste, was ich aushalten konnte.
Mein Stiefvater holte mich vom Bahnhof ab. Während der Fahrt nach Hause schaute ich aus dem Fenster und sah mir all die geschmückten Häuser an, wobei ich einen Moment lang eifersüchtig war. Ich fragte mich, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich in einer anderen Familie aufgewachsen wäre. Aber kaum hatte ich es gedacht, wurde mir klar:
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