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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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gezogenes Heulen, welches regelmäßig von einem keuchenden Hustenanfall unterbrochen wurde. Ein asthmatischer Wolf, dachte ich und schlug die Augen auf. Mein Mund öffnete sich mit einer halben Sekunde Verzögerung und presste ein kräftiges „Wooow!“ in die Welt hinaus.
    „Was denn?“, fragte Strom-Tom.
    Auf den ersten Blick war es einfach unbeschreiblich. Auf den zweiten waren es Bäume mit einem Umfang von zehn Litfaßsäulen und der Höhe von Wolkenkratzern, träge von den Ästen herunterhängende mannsdicke Lianen, zwischen den Stämmen wuchernde Pflanzen mit schillernden Blüten und Schwärme aus rosa-grünen kleinen Vögeln, die zwischen und über alldem umherflogen.
    „Was denn, was denn?“, fragte Strom-Tom wieder.
    „Wir stehen mitten im Wald“, sagte ich.
    „Na und? Das haben wir vor zehn Minuten auch schon.“
    „Aber nicht im Tropenwald …“
    „Oh Gott, oh Gott, oh Gott, ich hab davon gehört“, jammerte Strom-Tom. „Da gibt‘s wilde Tiere! Und wenn die dich fressen, dann fressen die auch mich. Und dann bin ich im Bauch von einem Bauch!“
    Eine unterarmgroße Libelle flog mit einem lauten Surren an meinem Kopf vorbei. Ihr Körper war gelb-schwarz gestreift. Eine Hummel-Libelle, dachte ich und kam mir ziemlich pfiffig vor.
    „Dann mal los!“, verkündete ich gut gelaunt, stand auf und klopfte meine Hose ab, obwohl sie überhaupt nicht staubig war. Es war mehr eine symbolische Handlung.
    „Du willst da wirklich reingehen?“
    „Das ist unser Job, oder?“ Ich konnte es kaum erwarten, diese fremde Welt zu erkunden.
    Strom-Tom schien meinen Tatendrang nur bedingt zu teilen. „Ja … leider …“
    Dann schwieg er. Wahrscheinlich dachte er über einen Jobwechsel nach. Doch der Arbeitsmarkt für Strom-Männchen war nicht besonders groß, also sagte Strom-Tom schließlich: „Aber merk dir, wo wir reingekommen sind, ja? Nicht, dass wir uns nachher noch verlaufen. Mach irgendwo ‚ne Markierung, damit wir die Tür auch wiederfinden, okaykay?“
    Ich drehte mich um, sah den unlackierten Türrahmen hinauf und sagte matt: „Ich glaube, das brauchen wir nicht …“
    „Natürlich brauchen wir das! Sonst finden wir nachher nicht zurück!“
    Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Keine Sorge“ – oder etwas, dass entfernt wie „Keine Sorge“ klang, denn leider war es mir unmöglich, den Mund vollständig zu schließen. „Die Tür finden wir auf jeden Fall wieder.“
    „Und wieso?“ Strom-Tom verlor langsam die Geduld.
    „Weil sie etwa 150 Meter hoch ist“, sagte ich und legte meinen Kopf ein Stück weiter in den Nacken, um die Türklinke sehen zu können.

Das fremde Mädchen

    Glücklicherweise war das bunt schillernde Dickicht bei Weitem nicht so undurchdringlich, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Überall zwischen den Stämmen, Blättern und Blüten gab es versteckte Pfade, die jedoch offensichtlich nicht von Menschenhand geschaffen worden waren. Vielmehr sah es so aus, als hätten die Pflanzen dieser fremdartigen Welt aus Rücksicht auf diejenigen, die auf ihre zwei bis zwölf Beine angewiesen waren, etwas Platz gelassen.
    Ich schlängelte mich entlang der schmalen Wege, während Strom-Tom nicht müde wurde, mich auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Schließlich kamen wir an eine Abzweigung, in deren Mitte ein kleiner, dicker, grün melierter Vogel saß. Als er mich bemerkte, plusterte er sich auf und sein runder Bauch färbte sich purpurfarben.
    „Was für ein schöner Vogel“, sagte ich.
    „Kann der uns fressen?“, fragte Strom-Tom.
    „Ach Quatsch! Der ist viel zu klein.“
    „Für dich vielleicht …“
    „Ich pass schon auf dich auf.“
    Der Vogel mit dem purpurfarbenen Bauch öffnete seinen kleinen Schnabel und zirpte. Wahrscheinlich bildete ich es mir nur ein, aber es klang wie „Dodo, Dodo“. Dann spreizte er seine Flügel – welche verglichen zu seinem voluminösen Körper sehr kurz und mickrig wirkten – und erhob sich, allen physikalischen Gesetzen trotzend, in die Höhe. Er stieß noch einmal sein helles Zirpen aus, „Dodo!“, flog einige schnelle Runden um meinen Kopf herum und verschwand dann hinter der nächsten Biegung. Und ich lief ihm hinterher.
    „Warum läufst du?“, fragte Strom-Tom besorgt.
    „Ich will nur sehen, wohin er fliegt.“
    „Tu das nicht! Er will uns bestimmt in eine Falle locken!“
    „Du Schisser!“, entfuhr es mir und ich schämte mich sogleich für den Ausdruck. „Ich will doch nur mal gucken.“
    „Und was ist,

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